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Schon vor dem Ende der Auszählung des dritten Wahlganges steht fest: Die Bundespräsidentenwahl ist für Angela Merkel und die Koalition ein Debakel.

© AFP

Wahlnachlese: Durchhalteparolen und Schuldzuweisungen

Am Tag nach der Wahl des Bundespräsidenten versuchen die Regierungsparteien die Scherben zusammenzukehren und die Opposition streitet.

Wenn die Politik in der Hauptstadt Kapriolen schlägt, dann bemühen sich die Parteien frühzeitig darum, ihre Deutung der Ereignisse in die Öffentlichkeit zu tragen. Das war auch am Tag nach der Bundespräsidentenwahl nicht anders und so gaben sich Spitzenpolitiker von Regierung und Opposition am Donnertag im ZDF Morgenmagazin die Klinke in die Hand. Und auch darüber hinaus versuchten Politiker auf allen Kanälen zu erklären, was aus ihrer Sicht am Mittwoch schief gelaufen war. Das Muster der Wortmeldungen war eindeutig, Union und FDP waren bemüht die Scherben eines verpatzten Neustarts zusammenzukehren und die Tatsache klein zu reden, das ihr Kandidat Christian Wulff erst im dritten Wahlgang zum Bundespräsidenten gewählt wurde. Die Oppositionsparteien versuchten sich gegenseitig die Schuld dafür in die Schuhe zu schieben, dass der rot-grüne Kandidat Joachim Gauck eine politische Sensation verfehlte.

Der früherer FDP-Vorsitzende Wolfgang Gerhard räumte im Morgenmagazin unumwunden ein, die Regierung habe „keinen Neustart gehabt“. Auch Sachsens Ministerpräsident Stanislav Tillich sagte im MDR, CDU, CSU und FDP hätten die Chance für einen kräftigen Neustart verpasst. Die Koalition müsse selbstkritisch sein, so Tillich, sie müsse sich jetzt überlegen, wie es weitergehen solle

Bundeskanzlerin Angela Merkel hingegen versuchte noch am Wahlabend die Niederlage ihres Kandidaten in den ersten beiden Wahlgängen und das Beinahe-Debakel der Regierung schönzureden. Sie sehe im Verlauf der Bundespräsidentenwahl kein Votum gegen die Regierung, sagte Merkel. Sie wolle nicht darüber spekulieren, warum Wulff nicht schon in den ersten beiden Wahlgängen gewählt worden sei. Zum Schluss sei es eine gute Mehrheit gewesen, „das zählt“.

Dem CDU-Generalsekretär Hermann Gröhe hingegen fällt schon quasi qua Amt die Aufgabe zu, die Reihen zu schließen und so räumte auch dieser im ZDF-Morgenmagazin ein, „das war kein Mannschaftsspiel“. Schon vor der Bundespräsidentenwahl hätten alle in der Koalition gewusst, „das muss besser werden“. Gröhe weiß, dass die schwarz-gelbe Regierung einen „verholperten Staat“ gehabt und es „unnütze verbale Attacken“ gegeben habe. Aber für den Parteistrategen ist das schon Vergangenheit.

Doch Gröhe will sich nicht länger bei der Vergangenheit aufhalten, auch nicht beim gestrigen Tag. Er richtet im ZDF-Morgenmagazin stattdessen den Blick in die Zukunft, erklärt „Arbeit ist die bester Therapie“. Da hat die Regierung einiges zu tun, zahlreiche große Projekte der Regierung müssen in den nächsten Wochen auf den Weg gebracht werden, zum Beispiel das Sparpaket, die Gesundheitsreform und auch die Verlängerung der Atomlaufzeiten. „Da müssen wir zeigen, Arbeit steht im Mittelpunkt, und Miteinander“, sagt Gröhe.

Und während die Regierung um Schadensbegrenzung bemüht ist, wird der Opposition allmählich klar, welche große Chance ihr entgangen ist. Auch SPD-Generalsekretärin Andrea Nahles ist im Morgenmagazin zu Gast. „Wir müssen mit dem Ergebnis leben“, sagt sie, „es ist aber schade, dass es die Linkspartei versäumt hat, erstmals einen Ostdeutschen zum Bundespräsidenten zu wählen.“ Man mag Zweifel haben, dass Gauck jemals eine realistische Chance gehabt hat, tatsächlich zum Bundespräsident gewählt zu werden. Vermutlich konnte die Opposition nicht mehr erreichen, als Wulff in den dritten Wahlgang zu zwingen und die Regierung so zu blamieren. Aber vielleicht hätte der Mittwoch auch einen ganz anderen Verlauf genommen, wenn Joachim Gauck mit Hilfe der Linken bereits im ersten Wahlgang ähnlich viele Stimmen bekommen hätte, wie der Regierungskandidat Wulff oder sogar ein paar mehr. Im dritten Wahlgang war es dann für ein koordiniertes Vorgehen zu spät.

Der Schwarze Peter gefällt Klaus Ernst allerdings überhaupt nicht. Als letzter tritt deshalb der Vorsitzende der Linken im ZDF-Morgenmagazin auf, um den Kurs seine Partei zu verteidigen. Ernst wirft dem SPD-Vorsitzenden Sigmar Gabriel vor, er habe Joachim Gauck „verheizt“. Erst am Tag der Bundespräsidentenwahl habe die SPD das Gespräch gesucht, das sei viel zu spät gewesen. Doch bei Ernst ist zu spüren, dass er sich ertappt fühlt, früher hätte die drei Oppositionsparteien nach einem gemeinsamen Kandidaten suchen sollen, sagt er. Doch Ernst zeigt mit dieser Äußerung, dass er den Charme der Gauck-Kandidatur nicht verstanden hat. Vielmehr tritt er noch einmal verbal nach, die Linke habe nicht einen Kandidaten wählen können, der sie als politikunfähig und regierungsunfähig bezeichnet habe. "Wir werden den Kakao, durch den man uns zieht, nicht auch noch trinken", sagte Ernst. Gauck vertrete "diametral" andere politische Positionen als die Linke. "So jemanden wähle ich nicht."

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