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Wahlprogramme: Großbritannien: Wahlkampf gewinnt Schärfe

Die britischen Parteien stellen ihre Wahlprogramme vor. Die Konservativen rufen ihre Landsleute zum Mitregieren auf.

Der britische Wahlkampf gewinnt ideologische Schärfe. Drei Wochen vor der voraussichtlich knappsten und daher spannendsten Wahl seit Jahrzehnten haben die großen Parteien Wahlprogramme vorgelegt. Während Labour mehr Regierung und mehr Interventionismus verspricht, ist die zentrale Idee der Tories weniger Staat und Einmischung der Regierung.

Der Titel des Tory-Wahlprogramms lautet „Einladung, in die Regierung Großbritanniens einzutreten“. Tory-Chef David Cameron zitierte bei der Präsentation den amerikanischen Präsidenten J. F. Kennedy: „Frage nicht, was dein Land für dich tun kann, sondern, was du für dein Land tun kannst“.

Die Tories propagieren einen Rückzug des Staats und „People’s Power“: „Individuen und Familien, nicht Politiker und Bürokraten werden unser Land auf den richtigen Weg bringen“, sagt Cameron. Mediziner im staatlichen Gesundheitsdienst sollen sich zu Kooperativen zusammenschließen, Eltern, die unzufrieden mit Schulen sind, können mit staatlichem Geld freie Schulen gründen. Lehrer sollen Schüler wieder vom Unterricht ausschließen dürfen. Polizeipräsidenten sollen gewählt und Bürger mit Referenden in die Kommunalregierung eingreifen können. Fans sollen sogar Fußballklubs in Kooperativen übernehmen dürfen – eine Idee, die man von Labour abgekupfert hat.

Labourchef Gordon Brown dagegen setzt, ermutigt durch die Erfolge seines Krisenmanagements in der Finanzkrise, auf mehr Staat. „Die Tories sagen den Bürgern praktisch, ihr seid auf euch gestellt“, sagt er. Labour verspricht eine Flut neuer „Staatsgarantien“ – etwa, dass Untersuchungsergebnisse bei Krebsverdacht nach einer Woche vorliegen müssen oder dass ein Recht auf Entschädigung hat, wer von Polizei und Sozialämter nicht vor Attacken asozialer Nachbarn geschützt wird.

Auch in die Wirtschaft will sich Labour stärker einmischen. Während die Tories Steuern und Regulierung abbauen wollen, rückt Labour vom Glauben an die Märkte ab und will Großbritanniens Wirtschaft mit einer „aktiven Industriepolitik“ aus ihrer Abhängigkeit von Fnanzdienstleistungen lösen. Regeln für die Übernahme von Unternehmen werden verschärft. Es soll sogar ein ministerielles Veto gegen die Übernahme von Infrastruktureinrichtungen oder Versorgern geben. Die Privatisierung der Post, vor einem Jahr noch gegen eine Hinterbankrevolte vorangetrieben, ist aufgegeben.

Von Großbritanniens riesigem Defizit von elf Prozent ist in den Programmen wenig die Rede. Beide versprechen, mit weniger Geld mehr zu tun. Wie die Briten reagieren, ist weiter unklar. Haben sie genug von Labours teurem und ineffizientem Ammenstaat oder flüchten sie sich in der Krise erst recht in seine Arme? In Meinungsumfragen haben die Tories in der letzten Woche ihren Vorsprung ausgebaut, aber nicht genügend, um eine klare Mehrheit zu garantieren.

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