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Wie groß wird der nächste Bundestag?

© Kay Nietfeld/dpa

Wahlrecht für den Bundestag: Koalition sucht Ausweg aus der Bayern-Falle

Nach der Bundestagswahl droht ein Parlament mit vielen zusätzlichen Sitzen - vor allem wegen Bayern und der CSU. Können neue Vorschläge der SPD das verhindern?

Kommt doch noch eine kleine Wahlrechtsreform, um zu verhindern, dass der nächste Bundestag 700 Abgeordnete hat oder mehr? Offenbar haben die Prognosen, dass das Parlament durch Überhang- und Ausgleichsmandate deutlich größer wird als die Mindestsitzzahl von 598, die Koalitionsfraktionen jetzt doch dazu gebracht, neue Gespräche zu führen. Der Vorstoß von Bundestagspräsident Norbert Lammert (CDU), doch einfach die Zahl der Abgeordneten zu deckeln (bei etwa 630), war im Sommer versandet. Die anderen Fraktionen konnten sich nicht dafür erwärmen, weil nach der aktuellen Stärkeverteilung zwischen den Parteien dieser Schritt allein die Union bevorzugt hätte.

Doch nun hat nach Informationen des Tagesspiegels die SPD einige Ideen eingebracht, die dazu führen sollen, die drohende „Aufblähung“ des Parlaments zu begrenzen. Darüber beriet am Donnerstag eine schwarz-rote Spitzenrunde – mit dem Ergebnis, alles einmal durchzurechnen, verfassungsrechtlich zu prüfen und sich in zwei Wochen nochmals zu treffen.

Aktuelle Prognose: 687 Mandate

Die Aufblähungsgefahr ist nach den aktuellen Umfragedaten real: Das Wahlinformationsportal „election.de“ errechnet derzeit eine Parlamentsstärke von 687 Abgeordneten. Der Kern des Problems ist Bayern und damit die CSU. Denn nach dem gegenwärtigen Zählungsmodus werden den Ländern nach der Zahl der Einwohner (ohne Ausländer) Mindestsitzzahlen zugeteilt, um den Regionalproporz herzustellen. In einem zweiten Schritt wird dann, nun aber bundesweit, nach den Gesamtstimmen ein Parteienproporz errechnet. Dabei kann es sein, dass – unabhängig von eventuellen Überhangmandaten – die Zahl der ;Mandate unterschiedlich ausfällt, auf Landesebene höher als auf Bundesebene. Und damit besteht ein Ausgleichsbedarf. Bei allen bundesweit antretenden Parteien ist das kein großes Problem, weil sich das letztlich über die Länder hinweg weitgehend von selbst ausgleicht. Aber bei der Regionalpartei CSU gibt es diesen parteiinternen, bundesweiten Ausgleich nicht. Eine sich aus dem Zuteilungsmechanismus ergebende Überrepräsentation der CSU muss immer durch zusätzliche Mandate an die anderen Parteien ausgeglichen werden – jedes Mehrmandat der CSU mit zehn bis zwanzig Ausgleichsmandaten, daher die Aufblähung.

Das Problem wird freilich durch eine weitere bayerische Besonderheit noch verschärft: Im Südstaat ist der Anteil für Parteien, die an der Fünfprozenthürde scheitern, regelmäßig größer als in anderen Ländern, wegen der Freien Wähler, der ÖDP, der Bayernpartei. Das sind zwar nur wenige Prozentpunkte, da aber die Stimmen dieser Parteien bei der bundesweiten Zuteilung von Mandaten an die Parteien wegfallen, wird die CSU-Diskrepanz noch größer. Und ist dann noch die Wahlbeteiligung in Bayern niedriger als im Rest der Republik, kann es sein, dass noch mehr CSU-Mandate ausgeglichen werden müssen. Schneidet die CSU dann prozentual schlechter ab, gewinnt aber wie üblich alle Direktmandate, wächst die Zahl der auszugleichenden Überhangmandate – ein Szenario, dass wegen der AfD nicht unplausibel ist.

Andere Sitzzuteilung

Der SPD-Vorschlag setzt nun bei der Zuteilung von Mindestsitzen auf die Länder an: Diese soll nicht nach der Einwohnerzahl erfolgen, sondern nach der Zahl der Stimmen für jene Parteien, die auch in den Bundestag einziehen. Das würde die Notwendigkeit, die CSU-Mandate bundesweit auszugleichen, deutlich dämpfen. Der aktuelle Bundestag hätte dann nicht 631 Abgeordnete, sondern 614. Das Risiko, im kommenden Herbst bei mehr als 700 Mandaten zu landen, wäre entsprechend geringer. Vor allem, wenn dann noch eine Form der Deckelung bei den Überhangmandaten dazu käme, die offenbar ebenfalls besprochen wird.  

Doch in der Union ist man skeptisch. Denn der SPD-Vorschlag knüpft letztlich an die Wahlbeteiligung an. Die aber ist im Gegensatz zur Einwohnerzahl beweglich, und damit wäre jenes Phänomen namens „negatives Stimmgewicht“ wieder im Spiel, das aufgrund des Wählerverhaltens potenziell das Wahlergebnis verzerren kann. Das Bundesverfassungsgericht kippte deswegen 2012 das alte Wahlrecht. Die Folge war die Wahlrechtsreform, die nun die Gesamtsitzzahl so unwägbar macht.

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