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Wahlstreet: Kaufrausch nach Feierabend

Dass Börsenhändler bisweilen recht hysterisch handeln, ist hinlänglich bekannt. Dass sie dies auch am Wochenende tun, ist neu. Die Parteien-Börse Wahlstreet macht es möglich. (09.08.2005, 19:45 Uhr)

Berlin - Am vergangenen Wochenende erlebte die Union einen bis dahin beispiellosen Niedergang - zumindest an der Tagesspiegel-Börse Wahlstreet, an der Aktien von Parteien gehandelt werden. Zwischen Freitagmittag und Montagmorgen rutschte der bis dahin recht stabile Kurs von 40,70 Wahleuro auf 39,50 Wahleuro. (Der Aktienkurs einer Partei an der Wahlstreet steht für den vermuteten Stimmenanteil der jeweiligen Partei bei der Bundestagswahl. Mehr zur Funktionsweise der Wahlstreet hier).

Gleichzeitig konnte sich die SPD an einem geradezu erstaunlichen Zuspruch erfreuen. Ihr Kurs stieg von 29,20 Wahleuro (=29,2 Prozent der Stimmen) auf immerhin 30,95 Wahleuro - und dies nach tagelanger Stagnation. Offenbar hatte die von der SPD-Spitze am Freitag vermeldete "Trendwende" sowie ein paar Spekulationen über mögliche Koalitionen ausgereicht, bei Besitzern von CDU/CSU-Aktien für Panikverkäufe zu sorgen.

Das Kuriose dabei: Es war überhaupt nichts "Handfestes" passiert. Weder hatte die Union einen entscheidenden Fehler gemacht (außer vielleicht den, dass sie zu selbstsicher von einem Wahlsieg ausging), noch hatte die SPD irgendwelche Wohltaten versprochen. Ebensowenig waren die Wahlstreet-Kurse irgendeiner Meinungsumfrage gefolgt. In den letzten Erhebungen der Meinungsforschungsinstitute vor dem Wochenende rangierte die SPD zwischen 26 und 29 Prozent, während die Union deutlich mit 42 bis 45 Prozent führte.

Sensibelchen mit Herdentrieb

Wie also kam es zu den hysterischen Marktbewegungen? Mehrere Ursachen können angeführt werden: Zum Einen reagiert die Wahlstreet sensibler als jede Umfrage auf aktuelle Stimmungen. Ist in mehreren Medien übereinstimmend von "Nervosität bei der Union" die Rede, ist dies an der Parteien-Börse sehr schnell und sehr deutlich zu spüren.

Darüber hinaus zeigt die Wahlstreet ein typisches Börsen-Phänomen: den Herdentrieb. Setzt einmal eine Bewegung ein, verstärkt sich diese innerhalb kürzester Zeit um ein Vielfaches. Keiner der Händler will den angeblich neuesten Trend verpassen, jeder will seinen Einsatz retten oder - im besten Fall - vermehren.

Zu guter Letzt kann natürlich auch ein Manipulationsversuch nicht gänzlich ausgeschlossen werden - es wäre nicht der erste an der Wahlstreet. Funktioniert haben solche gesteuerten Aktionen indes nie - zu hoch ist der Aufwand an benötigten Kapital und beteiligten Personen, um die große Masse der Händler längerfristig an der Nase herumzuführen.

Am Montagnachmittag übrigens war die Rallye zu Ende, der Trend der SPD- und Unions-Aktien kehrte sich wieder um. Das zeigt: Kein Wahlstreet-Händler muss in Panik verfallen, nur weil im Augenblick ein Minus vor der Rendite steht. Abgerechnet wird erst am 18. September (wenn das Verfassungsgericht es so will), und dann zählt nicht der letzte Handelskurs der Aktien, sondern das tatsächliche Wahlergebnis der Parteien. (Von Markus Horeld)

Nützliche Wahlstreet-Links:

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