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Politik: Wahre Helden

Foto: Rückeis AUF ZU DEN LINDEN! Von Karl Jüsten Als es noch das „FAZ“-Magazin gab, erfuhren wir jede Woche per Fragebogen von einem Zeitgenossen, wen er für einen Helden oder eine Heldin der Wirklichkeit hält.

Foto: Rückeis

AUF ZU DEN LINDEN!

Von Karl Jüsten

Als es noch das „FAZ“-Magazin gab, erfuhren wir jede Woche per Fragebogen von einem Zeitgenossen, wen er für einen Helden oder eine Heldin der Wirklichkeit hält. Meist waren das Emanzipatoren, Moralisten, Friedensstifter, Mütter, Väter – Menschen, über die man nur Gutes wusste. Heute würden sicher die Opfer und Helfer der Flutkatastrophe genannt. Die Heldinnen und Helden der Wirklichkeit sind für mich in Wahlkampfzeiten die Wählerinnen und Wähler.

Was müssen sie nicht alles aushalten! Ständig bekommen sie von irgendwelchen Meinungsforschern gesagt, wie und was sie denken, welche Partei sie wählen werden, welchen Politiker sie am meisten mögen, wen sie für den kompetentesten Kandidaten halten, oder – jetzt neu – wer der beste Deichgraf ist. Im Dschungel der Wahlkampfparolen müssen sie das Substrat der Ziele und Wertvorstellungen der Parteien und ihrer Kandidaten suchen und – was manchmal viel schwerer fällt – das, was sie unterscheidet.

Einfach haben es vordergründig diejenigen, die sagen: Ich wähle die Partei, die ich immer schon gewählt habe. Trotzdem sind auch sie meine Heldinnen und Helden, weil sie alle Zumutungen ihrer favorisierten Partei ertragen. Die Parteistrategen dürfen sich in Sicherheit wiegen. Der Stammwähler leidet heldenhaft still vor sich hin.

Der Wechselwähler muss das nicht. Seine Leistung liegt darin, zu erkennen, was die Kandidaten und ihre Parteien wirklich wollen. Er muss also herausfinden, welche Vorstellungen die zu Wählenden etwa zu Fragen des Lebensschutzes, zur Arbeitslosigkeit, zur Familien- und Bildungspolitik haben. Will er sich von Kriterien, die sich an wahren und langfristigen Zielen orientieren, leiten lassen, bleibt ihm nichts anderes übrig, als sich mit den Grundsätzen der Parteien auseinander zu setzen. Die eigene Grundentscheidung, nach welchen Zielen und Idealen man sein Leben ausrichtet, kommt dabei ins Spiel – und die Optionen schrumpfen.

Am schwierigsten haben es diejenigen, die sich bei keiner Partei zu Hause fühlen. Sie sind die wahren Helden und Heldinnen, wenn sie sich dennoch für eine oder zwei Parteien entscheiden. Und sie kennen das mulmige Gefühl, das vielleicht im Laufe der Legislaturperiode Gewissheit wird: doch nicht die ganz richtige Wahl getroffen zu haben.

Der Autor leitet das Kommissariat der deutschen Bischöfe – Katholisches Büro Berlin. Bis zum 22. September lesen Sie an dieser Stelle Stimmen zum Wahlkampf.

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