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Politik: War die Wohnhaus-Explosion eine Vergeltung für den Krieg in Dagestan?

Moskau steht unter Schock. Zwar laufen fast täglich Meldungen über bestellte Morde und kleinere Anschläge ein, denen die durch große Not abgebrühte Bevölkerung der russischen Hauptstadt kaum noch Beachtung schenkt.

Moskau steht unter Schock. Zwar laufen fast täglich Meldungen über bestellte Morde und kleinere Anschläge ein, denen die durch große Not abgebrühte Bevölkerung der russischen Hauptstadt kaum noch Beachtung schenkt. Doch was sich in der Nacht zum Donnerstag ereignete, stellt alles Vergangene in den Schatten: Bis gestern Nachmittag wurden nach der Explosion eines Wohnhochhauses im Südosten Moskaus 21 Tote aus den Trümmern geborgen. Die Rettungsmannschaften gehen allerdings davon aus, dass sich unter den zwei vollständig eingestürzten Segmenten des Gebäudes noch erheblich mehr Opfer befinden.

Moskaus Oberbürgermeister Jurij Luschkow, der am gestrigen Vormittag den Unglücksort besuchte, rechnet mit bis zu 120 Toten. 152 Menschen wurden bei der Explosion verletzt, 73 davon schwer. Unter den Vermissten, aber auch unter den Verletzten, sind zahlreiche Frauen und Kinder. Am Nachmittag wurden die Rettungsarbeiten vorübergehend eingestellt, weil für die Bergung Spezialtechnik erforderlich ist.

Die Explosion war so stark, dass weitere 15 umliegende Häuser beschädigt wurden. Insgesamt wurden 200 Menschen obdachlos. Die meisten davon wurden inzwischen provisorisch in Wohnheimen und Hotels untergebracht. Die Explosion ereignete sich mit dem Glockenschlag um Mitternacht, als der russische Rundfunk gerade die Staatshymne abspielte. Eben dies werten die Ermittler als ein Indiz dafür, dass es sich nicht, wie ursprünglich vermutet, um eine Gasexplosion, sondern um einen gezielten Sprengstoffanschlag handelt. Diese Version wird nach Meinung von Experten auch dadurch bestätigt, dass der Brand erst zwanzig Minuten nach der Explosion ausbrach. Einwohner berichten von ätzendem Schwefelgeruch, was ebenfalls auf ein Sprengstoffattentat schließen lässt.

Wie die Nachrichtenagentur Interfax meldete, ging gegen Mittag in der Zentrale des Inlandsgeheimdienstes FSB ein Anruf ein, mit dem ein Mann mit deutlich kaukasischem Akzent erklärt haben soll, das Attentat sowie der Anschlag auf die dagestanische Stadt Buinaksk am Samstag, bei dem 64 Menschen uns Leben kamen, sei die Antwort auf die Bombardements der russischen Luftwaffe gegen Dörfer in Tschetschenien und Dagestan. Das Pressezentrum des Geheimdienstes wollte die Meldung bislang weder bestätigen noch dementierten. Bürgermeister Luschkow kündigte eine weitere Verstärkung der Sicherheitsmaßnahmen in der Neun-Millionen-Metropole an, besonders in der Metro. Erst vor einer Woche starben vier Menschen, als eine Bombe in einem Einkaufszentrum am Manegeplatz nahe des Kremls explodierte. Schon jetzt bestimmen Polizisten weitgehend das Straßenbild. Die russischen elektronischen Medien widmen der Explosion fast die gesamte Sendezeit ihrer Nachrichtenprogramme. Selbst Meldungen aus dem Krisengebiet in Dagestan am Kaukasus rangierten gestern unter ferner liefen. Mehrfach wird auch die Nummer eines Krisentelefons eingeblendet. Außerdem wurde ein Spendenkonto für die überlebenden Opfer eingerichtet.

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