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Politik: Warum Kinder frei machen

Von Harald Martenstein

Ich hätte da mal eine Verständnisfrage. Ich verstehe überhaupt nicht, was die CSU und überhaupt das konservative Deutschland meinen, wenn sie das Wort „Freiheit“ verwenden. Es ist alles so verdammt widersprüchlich. Der Staat soll Personen, die sich um einen deutschen Pass bewerben, in einem aus dem Geist der hessischen CDU geborenen Wissenstest nach Carl Röntgen fragen dürfen. Falls die Person nicht weiß, was genau der alte Röntgen erfunden hat, darf der Staat ihr den Pass verweigern. Der Staat darf Kindergeld bezahlen, auch an Wohlhabende, denn es ist wünschenswert, dass Kinder geboren werden. Von Ledigen darf der Staat deutlich höhere Steuern verlangen als von Verheirateten. Wer nicht heiratet oder sich scheiden lässt, wird bestraft. Es ist eben wünschenswert, dass geheiratet wird.

Der Staat durfte, bis er pleite war, jahrzehntelang Eigenheimerbauern Geld schenken. Der deutsche Mensch soll Häuser bauen. Wer die private Lebensentscheidung getroffen hat, kein Haus zu bauen, durfte dies selbstverständlich tun. Aber er hat dafür halt nichts geschenkt bekommen. Der Staat darf auch verlangen, dass ich regelmäßig zum Zahnarzt gehe. Natürlich kann ich auf den Zahnarzt pfeifen, bitte sehr, dies ist ein freies Land, aber wenn dann meine Zähne ausfallen, bekomme ich von der Versicherung weniger Zuschuss, der Staat erlaubt dies. Der Staat darf auch dafür sorgen, dass Firmen finanzielle Vorteile dafür erhalten, sich in bestimmten Gegenden anzusiedeln, sagen wir ruhig: in Ostdeutschland.

Der Staat darf das. Alles! Nach Ansicht des CSU-Generalsekretärs Markus Söder darf der Staat aber auf gar keinen Fall finanzielle Vorteile an die Bedingung knüpfen, dass Männer aus dem Beruf aussteigen und sich um ihre Kinder kümmern. Dies, und offenbar nur dies, wäre ein Verstoß gegen elementare Freiheits- und Menschenrechte.

Konservative neigen traditionell dazu, Ver- und Gebote auszusprechen. Bei jedem Problem rufen sie: „Verschärft die Gesetze!“ Sie sind wirklich nie besonders heftige Freiheitsapostel gewesen. Nun hegen sie aber in ihrer Brust eine Urangst vor dem Kleinkind, die stärker zu sein scheint als alle politischen Prinzipien. Sperrt Söder einen Tag lang mit Drillingen zusammen, und er tritt in die FDP ein, nach zwei Tagen ist er Anarchist.

Gleichzeitig sind Söder und seine Freiheitspartei CSU seit Jahren feurige Befürworter einer verschärften Videoüberwachung von öffentlichen Plätzen. Das heißt, ob ein bayerischer Vater sich um seine Babys kümmert, weiß der bayerische Staat sowieso, die Polizei hat das alles auf Video.

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