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Der Wirbel um Thilo Sarrazin und sein Buch "Deutschland schafft sich ab" hält weiter an.

© ddp

Bundesbank: Was die Abberufung für Sarrazin bedeutet

Der Vorstand der Bundesbank hat den Bundespräsidenten gebeten, Thilo Sarrazin abzuberufen. Kann er sich wehren, wie steht er finanziell da? Die Hintergründe.

Thilo Sarrazin hatte bis zum Schluss die Wahl. So heißt es zumindest in der Bundesbank am Tag nach der Entscheidung, Bundespräsident Christian Wulff um die Abberufung des umstrittenen Vorstandsmitglieds zu bitten. Bis Donnerstagmittag habe er Zeit gehabt, freiwillig seinen Rücktritt zu verkünden. Gegen 15 Uhr kam der Vorstand in Frankfurt am Main zusammen, gegen 15.50 Uhr verließ Sarrazin die Bundesbank. Um 16.28 Uhr verschickte die Bank die Mitteilung über den Entlassungsantrag.

Kann Sarrazin sich wehren?

Ja, sagt der Berliner Verfassungsrechtler Christian Pestalozza. Eine Entlassung durch den Bundespräsidenten ist ein Rechtsakt, gegen den geklagt werden kann. Im Bundesbankgesetz steht der Vorgang der Ernennung, ein Hinweis auf das Prozedere einer Abberufung fehlt aber. „Es gibt trotzdem Rechtsschutz, auch wenn der Gesetzgeber vergessen hat, bestimmte Vorgänge zu regeln“, sagt Pestalozza. Das ist im Grundgesetz (Artikel 19, Absatz 4) und in der Verwaltungsgerichtsordnung (Paragraf 40, Absatz 1) geregelt. Für öffentliche Streitigkeiten, die keine verfassungsrechtlichen Fragen betreffen, sind die Verwaltungsgerichte zuständig. Sollte Wulff den Ex-Finanzsenator entlassen, kann der dagegen und damit gegen den Bundespräsidenten klagen. Zuständig wäre das Verwaltungsgericht Berlin.

Welche Chancen hätte er dabei?

Sarrazin habe mit seinem Buch und seinen Interviewäußerungen „keine erkennbaren dienstlichen Verfehlungen begangen“, sagt der Konstanzer Arbeitsrechtler Bernd Rüthers. Dazu müsse Sarrazin schon „Geschäftsfelder der Bundesbank nachhaltig geschädigt haben“. Dies wäre etwa der Fall, wenn Aussagen zu einer angeblichen rassischen Minderwertigkeit Geschäftsbeziehungen mit dem arabischen Raum negativ beeinflussten. „Das kann man für möglich halten, das muss man aber nachweisen.“ Auch ein zerrüttetes Vertrauensverhältnis zur Regierung komme als Grund nicht infrage. „In einem Arbeitgeber-Arbeitnehmer-Verhältnis würde dies für die Auflösung des Arbeitsverhältnisses ausreichen, in diesem Falle steht dem aber die Unabhängigkeit der Bundesbank entgegen.“ Die sei ohnehin infrage gestellt, nachdem die Bank selbst noch vor wenigen Tagen Sarrazins Äußerungen als privat bezeichnet habe. „Jetzt fällt sie sich selbst in den Rücken, nachdem Kanzlerin und Bundespräsident sich gegen Sarrazin gestellt haben.“ Sarrazin aus dem Vorstand zu werfen, werde „ein mutiger politischer Kraftakt“, sagt Rüthers, für den Wulff sich „mindestens drei Monate Zeit nehmen“ solle.

Die Gründe für die Entlassung eines Bundesbank-Vorstandes sind an keiner Stelle eindeutig benannt. Noch nie in ihrer 53-jährigen Geschichte wurde ein Vorstandsmitglied entlassen. Es gab nur zwei Rücktritte: 1991 schmiss Karl-Otto Pöhl aus Ärger über die Konditionen der deutsch-deutschen Währungsunion hin, 2004 trat Ernst Welteke wegen der „Adlon“-Affäre zurück.

Hat Wulff seine Neutralitätspflicht verletzt, als er sich vorab zu Sarrazin äußerte?

Wulff hatte die Bundesbank am Mittwoch zum Handeln aufgefordert. „Ich glaube, dass jetzt der Vorstand der Deutschen Bundesbank schon einiges tun kann, damit die Diskussion Deutschland nicht schadet“, sagte er N24. Pestalozza bezeichnete es als „sehr ungewöhnlich, dass sich der Bundespräsident in einer Personalie öffentlich einmischt“. Man dürfe vom Staatsoberhaupt eine gewisse Zurückhaltung und „Nichteinmischung in die Tagespolitik“ erwarten. Ungewöhnlich sei Wulffs Äußerung auch deshalb, weil er über die Abberufung entscheiden muss. Dass Wulff seine Neutralitätspflicht verletzt habe, sieht Pestalozza aber nicht. „Äußerungen sind nicht verboten. Aber offenbar steckt im Bundespräsidenten Wulff noch zu sehr der CDU-Politiker mit drin.“

Wie steht Sarrazin finanziell da?

Da er vorerst Vorstandsmitglied bleibt, erhält er seine vereinbarten Bezüge. Für 2010 fehlen genaue Angaben, für 2009 hat sie die Bank aufgeschlüsselt. Danach erhielt Sarrazin für die achtmonatige Amtszeit – er hat am 1. Mai 2009 begonnen – ein Gehalt in Höhe von 121 670,84 Euro, das als Basis für die Pension herangezogen wird. Dazu kommt eine besondere Vergütung von 30 677,51 Euro. Zudem wurde Sarrazin eine einmalige Sonderzahlung von 746,45 Euro und eine pauschale Dienstaufwandsentschädigung von 1704,32 Euro gewährt. Insgesamt erhielt er 154 799,12 Euro. Für 2010 dürfte sich die Vergütung auf dieser Basis auf rund 232 200 Euro belaufen. Die Details der Formel, nach der sich seine Rente von der Bundesbank berechnet, nennt das Institut nicht. Dem Vernehmen nach werden aber seine Ansprüche mit den Altersbezügen aus seiner Zeit als Finanzsenator verrechnet. Möglicherweise pocht Sarrazin auch auf die ihm eigentlich noch zustehenden Zahlungen der Bundesbank bis zum Ende seiner Vertragslaufzeit im April 2014.

Was macht Sarrazin derzeit?

Faktisch ist der 65-Jährige weiter Mitglied des sechsköpfigen Vorstandes der Bundesbank und kann an dessen normalerweise für Dienstag angesetzten Sitzungen teilnehmen. Doch seine Kollegen haben ihm alle Aufgaben entzogen. Bisher war er für Revision, IT und Controlling zuständig. Somit hat er in der Bank nichts mehr zu tun. Ob Sarrazin am Freitag in Frankfurt war, ließ ein Sprecher der Bank offen.

Wer könnte Nachfolger werden?

Das Vorschlagsrecht liegt bei Rheinland- Pfalz und dem Saarland. Die Regierungen in Mainz und Saarbrücken suchen angeblich schon einen „gestandenen“ Banker. Laut Bundesbank-Gesetz schlägt die Bundesregierung den Kandidaten für den Präsidenten, den Vizepräsidenten und ein Vorstandsmitglied vor, die übrigen drei Vorstandskandidaten werden in einem rotierenden Verfahren von den Ländern im Einvernehmen mit der Bundesregierung benannt. Der Vorstand hat das Recht, die Kandidaten anzuhören. Letztlich bestellt der Bundespräsident die neuen Mitglieder. Da unklar ist, wann Sarrazin tatsächlich gehen muss, kann der Posten noch nicht neu besetzt werden.

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