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Angela Merkel, Bundeskanzlerin der Bundesrepublik Deutschland.

© REUTERS

Was für ein Jahr: Die Politik steht vor horrenden Aufgaben

Das Jahr ist noch jung. Damit es nicht so schlecht endet wie es angefangen hat, sind gewaltige Anstrengungen nötig. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Stephan-Andreas Casdorff

Dieses Jahr kann, wenn es schlecht läuft, für die deutsche Politik ein „annus horribilis“ werden, eines, an das wir uns lange erinnern. Die Anforderungen sind zum Fürchten.

Schreiten wir die Felder ab. Nicht alle, das schaffen wir nicht, aber doch ein paar. Von innen nach außen: Die Landtagswahlen im März und im Herbst werden das Klima in der großen Koalition belasten und auf ihr lasten. Das Abarbeiten innen- und außenpolitischer Aufgaben kann durch die Wahlen erschwert werden, je nach Ausgang kann es sich sogar lähmend auswirken – weil sich alle danach bereits in Wahlkampfstellung für den Bund im Herbst 2017 begeben.

Dabei ist volle Funktionsfähigkeit oberste Koalitionspflicht. Es gibt so viel zu tun. Allein schon Griechenland, das fast vergessene Problemfeld, wird bald wieder in den Schlagzeilen sein. Als Zufluchtsort für Tausende, und weil Neuwahlen ebenso möglich sind wie eine Neuzusammensetzung der Regierung. Der Grexit bleibt bei allem eine Option.

Dann – der Brexit! Erst einmal muss es einen Kompromiss mit Londons Premier David Cameron auf dem EU-Gipfel im Februar geben. Aber werden die Bürger auf der Insel oder auch nur Teile von Camerons Partei nicht durchschauen, wenn es sich um einen Formel-Kompromiss handelt? Und wenn sie es durchschauen, werden sie es hinnehmen?

Eine Kehrtwende ist nicht zu erwarten

Polen, unser wichtiger Nachbar, ist noch nicht verloren – aber dass es der EU wirklich nicht verloren geht, ist auch eine deutsche Aufgabe. Die PiS um Kaczynski treibt das Land gerade in die Isolation. Wenn die Kommission und die anderen Mitgliedsstaaten die Verträge ernst nehmen, stellt Polen zusätzlich ganz Europa in Frage; zumindest aber die Frage, ob nicht ein „Kerneuropa“ zwangsläufig ist.

Und weiter: Was ist mit der Ukraine? Nicht dass sie implodiert, von Russland und von Oligarchen destabilisiert. Die Milliarden von EU und IWF helfen wenig, wenn sich die Regierung in Kiew prügelt anstatt zu reformieren. Syrien: Noch ist kein Abkommen in Sicht, kein Frieden, nur die Gefahr, dass der Krieg sich ausdehnt auf Saudis und Iraner. Und Libyen wird Rückzugsraum der Terrormiliz IS. Ach ja, was will und treibt eigentlich der türkische Staatschef Erdogan? Es ist eine Herausforderung, das herauszufinden und ihn in Lösungen einzubinden. Aber nötig. Denn wird das Mittelmeer in den kommenden Monaten wieder ruhiger, setzt höchstwahrscheinlich eine neue Fluchtbewegung von Nordafrika Richtung Norden ein, nach Europa.

Womit wir zurück beim Thema dieser Zeit wären: den Flüchtlingen. Eine Kehrtwende ist nicht zu erwarten, nicht von der Kanzlerin. Sie hat sich in nie gekannter Weise festgelegt. Bis hin zur Bewegungsunfähigkeit – so scheint es nicht mehr nur der CSU. Wo beinahe jeden Tag eine kleine Stadt ankommt, 4000 bis 7000 Menschen, ist die Frage nicht weit, wie das auf Dauer gehen, gut gehen soll. Die Erklärung „EU-Außengrenzen schützen/zügig abschieben/schnell integrieren“ klingt angesichts beharrlich ausbleibender Ergebnisse inzwischen wie ein Mantra, nicht wie ein Plan. Hier droht zur sozialromantischen Ideologie zu gerinnen, was vorher eine höchst willkommene Demonstration von Humanität war.

Zum Trost: Die Koalition kann noch mit Konzepten kommen, nach innen wie nach außen. Wenn bloß keine Furcht vor Wahlergebnissen sie lähmt. Das Jahr ist jung. Es muss nicht schlecht enden.

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