zum Hauptinhalt

Vier Fragen an Josef Joffe: Was macht die Welt?

Sich nach Trumps Sieg trösten, auf TTIP setzen und Rechten wie Linken in Lateinamerika misstrauen

Trump ist Trumpf - jetzt kann ihm niemand mehr die Kandidatur nehmen. Wird er auch Clinton ausstechen?
Theoretisch nein. Er wird bei Schwarzen, Hispanics, Frauen und Wechselwählern noch weniger Stimmen kriegen als der Republikaner Mitt Romney gegen Obama 2012. Indes schrumpft Hillarys Vorsprung - von zehn auf sechs Punkte. Sodann die üblichen Überraschungen: Die Ermittlungen des FBI gegen Clinton führen zur Anklage wegen Geheimnisverrats; sie erleidet einen zweiten Schlaganfall; ein spektakulärer Terrorangriff erschüttert das Land. Alle Kommentatoren, inklusive WmdW, haben Trump seit seinem Antritt im Sommer 2015 immer wieder unterschätzt. WmdWs Freund Elliott, der zwei Republikaner-Präsidenten gedient hat, hält einen Trost bereit: Gewinnt Trump im Herbst, kriegt er nach zwei Jahren eine Amtsenthebungs-Anklage an den Hals. Den Schaden würde das Impeachment nicht beseitigen.

Wenn TTIP scheitert, wer hätte das größere Nachsehen: Europa oder die USA?
Eine Studie der EU-Kommission rechnet so: Ein großer Wurf würde das Bruttoinlandsprodukt der EU um ein halbes Prozent erhöhen, das der USA um 0,4 Prozent. Ein bescheidener Deal, der bloß die Zölle senkt, aber nicht Handelsbarrieren wie Produktsicherheit, Arbeitsschutz und Gesundheitsvorschriften, würde den Zugewinn in etwa halbieren. Also leichter Gewinn für die EU als Ganzes. So darf man aber nicht rechnen. Die größten Verlierer wären die Mittelständler auf beiden Seiten, die nicht das Gewicht und Geld haben, um eine Schneise durch den Wust der Regulierungen zu schlagen.

In Lateinamerika geht die Ära der linken Regierungen zu Ende. Zu Recht?
Obwohl progressive Menschen die Chavez, Castros und Kirchners als Wegbereiter des Guten gefeiert haben, liegt die Wirtschaft von Venezuela, Cuba und Argentinien in Trümmern. Der Linkspopulismus ist eben kein Kassenschlager, ebenso wenig wie es der Sowjet-Sozialismus war. Kann's der Kapitalismus besser? Ja, aber nur, wenn alles andere stimmt: Rechtsstaat, Rechtschaffenheit und rechenschaftspflichtige Regime, die nicht den eigenen, sondern des Volkes Reichtum mehren. Das fehlt in Lateinamerika und deshalb die endlose Abfolge von Links- und Rechtsruck.

Ein letztes Wort zu Amerika…
Wie schnell könnte sich die 160 Jahre alte Republikanische erholen, wenn sie mit Trump untergeht? Der Rechtsaußen Barry Goldwater verlor 1964 in einem Erdrutsch. Doch nur vier Jahre später wurde Parteifreund Richard Nixon (Mitte-Rechts) Präsident. Dito bei den Demokraten: Linksaußen George McGovern führte die Partei 1972 in den Abgrund, 1976 siegte der gemäßigte Jimmy Carter. So wird es auch diesmal sein. Bismarck soll gesagt haben: "Gott beschützt Narren, Kinder, Betrunkene und Amerika."

Josef Joffe ist Herausgeber der "Zeit" und lehrt zur Zeit an der Stanford University. Fragen: Claudia Keller

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false