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Politik: Was wäre, wenn …

Ein unabhängiges Kosovo wird immer wahrscheinlicher – und bekommt neue immense Probleme

Berlin - Die Unabhängigkeit ist nur noch eine Frage der Zeit. Was für die mehrheitlich albanische Bevölkerung des Kosovo schon lange feststeht, wird nach den gescheiterten Verhandlungen über die Zukunft der serbischen Provinz nun offenbar auch für die internationale Gemeinschaft zur Gewissheit. Beim International Civilian Office der EU in Pristina laufen die Vorbereitungen für die Zeit nach dem 10. Dezember auf Hochtouren: Wie der Tagesspiegel aus Militärkreisen erfuhr, arbeiten die Mitarbeiter der künftigen EU–Mission derzeit an der Umsetzung des so genannten Ahtisaari-Plans. Der finnische UN- Sondergesandte Martti Ahtisaari hatte Anfang des Jahres eine eingeschränkte Unabhängigkeit des Kosovo mit vorläufiger ziviler und militärischer Aufsicht vorgeschlagen. Serbien lehnt diesen Plan nach wie vor ab. Kosovos designierter Premier Hashim Thaci hatte nach seiner Wahl im November angekündigt, die Unabhängigkeit nach dem 10. Dezember notfalls auch im Alleingang auszurufen.

Es wäre die „Stunde null“ für einen Staat, der zumindest aus wirtschaftlicher Sicht dann zu den ärmsten Ländern Europas zählte. Nach Schätzungen liegt das Bruttosozialprodukt der Provinz derzeit bei 400 US-Dollar pro Kopf und Jahr, wobei 65 Prozent der rund 2,2 Millionen Einwohner von der Landwirtschaft leben. Die Arbeitslosenquote bei 42 Prozent – vor allem Menschen unter 25, die die Hälfte der kosovarischen Bevölkerung ausmachen, finden in der Heimat keinen Job. Wer es sich leisten könnte, für eine Beschäftigung ins EU-Ausland zu gehen, den bremsen hohe Hürden bei der Vergabe von Arbeitsvisa. Erleichterungen, wie sie am dem kommenden Jahr für die westlichen Balkanstaaten gelten, gibt es für die serbische Provinz nicht. Zudem sind die Eigentumsverhältnisse in weiten Teilen des Landes immer noch ungeklärt. Unterlagen, die zur Klärung beitragen könnten, liegen seit Jahren im serbischen Katasteramt in Belgrad. Diese Lage verunsichert vor allem ausländische Investoren – und hält sie von Geschäften mit Kosovo ab.

Neben den sozialen und wirtschaftlichen Schwierigkeiten im Kosovo sehen Experten vor allem in den bislang nur wenig etablierten oder gar nicht vorhandenen staatlichen Institutionen wie Gerichten, Ministerien und dergleichen ein Problem. „Die UN-Mission für Kosovo, die die Provinz seit 1999 verwaltet, hat zwar entsprechende Strukturen geschaffen, doch sie sind noch lange nicht selbsttragend“, sagt Balkanexperte Cornelius Adebahr von der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik.

Aus außenpolitischer Sicht werde für die Zukunft des Kosovo vor allem entscheidend sein, wie sich die Zusammenarbeit mit den Ländern in der Region gestaltet, sagt Adebahr. Schwierigkeiten sieht der Wissenschaftler beim Zugang Kosovos zu internationalen Organisationen. So müssten beispielsweise alle Mitglieder der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) einem Beitritt zustimmen, was im Fall der serbischen Provinz unwahrscheinlich sei. Bessere Chancen gebe es dagegen für den Zutritt zur Weltbank. „Die Mitgliedschaft wäre wichtig, damit Kosovo Kredite aufnehmen und Investitionen tätigen kann.“

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