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Politik: Was wollte die ETA mit ihrer Mega-Bombe? Fieberhafte Suche nach neuen Terrornetzen

Die baskische Separatistenorganisation ETA hat nach Meinung der Sicherheitsdienste in der spanischen Hauptstadt neue Terrorstrukturen aufgebaut. Zwei Tage nach dem Fund einer gigantischen Autobombe der ETA suchte die spanische Polizei in Madrid nach weiteren Sprengsätzen.

Die baskische Separatistenorganisation ETA hat nach Meinung der Sicherheitsdienste in der spanischen Hauptstadt neue Terrorstrukturen aufgebaut. Zwei Tage nach dem Fund einer gigantischen Autobombe der ETA suchte die spanische Polizei in Madrid nach weiteren Sprengsätzen. Spezialeinheiten nahmen die Metropole und ihre Bewohner systematisch unter die Lupe. Die Bürger der Hauptstadt mit ihren drei Millionen Einwohnern wurden zu maximaler Aufmerksamkeit aufgerufen. Verdächtige Fahrzeuge oder Gegenstände auf den Straßen sollen den Behörden gemeldet werden, genauso wie auffällige Wohnungen oder Garagen. Die Sicherheitsvorkehrungen vor öffentlichen Gebäuden wurden weiter verschärft.

Dass die Terroristen nach der Aufkündigung ihrer Feuerpause Anfang Dezember einen verheerenden Anschlag in der Hauptstadt planen, ist spätestens nach der Entdeckung der ersten Mega-Bombe klar. Der Sprengsatz, der aus insgesamt 1000 Kilogramm hochexplosiver Chlorverbindung und Dynamit bestand, ist die größte Bombe, die von der ETA jemals konstruiert wurde. Sie hätte nach Angaben von Fachleuten ausgereicht, um ein ganzes Wohnviertel in die Luft zu jagen. Im Umkreis von mehreren 100 Metern wären demnach viele Gebäude zerstört werden.

Die Autobombe war in einem Lieferwagen gefunden worden, den die Polizei auf der Autobahn bei der Stadt Saragossa, rund 200 Kilometer nordöstlich Madrids, wegen eines Verkehrsverstoßes Anfang der Woche gestoppt hatte. Der Fahrer, ein Mitglied des politischen ETA-Arms Euskal Herritarrok, hatte nach eigenen Aussagen den Auftrag, den Wagen am Madrider Flughafen abzustellen. Unklar ist, ob die Bombe am Flughafen gezündet werden sollte, was ein unermessliches Blutbad zur Folge gehabt hätte, oder vor einem anderen markanten Gebäude platziert werden sollte. Sicher ist nur, dass die Schaltuhr auf 19 Uhr 56 eingestellt war und die Bombe wohl noch vor Weihnachten hochgehen sollte.

Die Polizei vermutet, dass der Fahrer die rollende Bombe an jenes ETA-Kommando übergeben wollte, dass schon länger in der Hauptstadt vermutet wird. Den bisherigen Ermittlungen zufolge sollen mindestens vier hochkarätige ETA-Terroristen in Madrid auf ihren Einsatz warten. Spaniens Anti-Terror-Experten schließen nicht aus, dass die ETA auf Nummer Sicher gehen will und gleich mehrere rollende Bomben nach Madrid schaffte. Diese Vermutung speist sich nach diesen Angaben daraus, dass die Terroristen wegen der seit Wochen verschärften Polizeikontrollen auch für den Fall der Entdeckung einer ihrer Bomben Vorsorge getroffen haben könnten.

In ihrer 30-jährigen Terror-Geschichte zündete die ETA bislang 26 Autobomben in Madrid und tötete dabei 52 Menschen. 1995 versuchten sie auch, mit einem am Straßenrand in einem Wagen versteckten Sprengsatz den heutigen spanischen Regierungschef Jose Maria Aznar umzubringen: Aznar überlebte, eine Frau starb. Den schlimmsten Bombenanschlag verübten die Terroristen der ETA in einem Supermarkt in Barcelona. Dort tötete im Jahre 1987 eine 30-Kilo-Bombe 21 Menschen. Bis heute gehen rund 800 Tote auf das Terror-Konto der baskischen Separatisten.

Die beiden großen spanischen Parteien, die regierenden Konservativen und die oppositionellen Sozialisten, zeigten sich höchst alarmiert über den jüngsten gewaltigen Bombenfund. Die ETA habe bewiesen, hieß es übereinstimmend, "was ihre wirklichen Absichten sind". Die baskisch-nationalistischen Parteien, die mit dem politischen Flügel der ETA das spanische Baskenland regieren, hielten sich hingegen bedeckt. Der populistische baskische Nationalisten-Führer Xabier Arzalluz heizte die Spannung mit der zynischen Bemerkung an, dass die spanische Regierung "entzückt wäre, wenn dieser Sprengsatz explodiert wäre".

Arzalluz, der sich zunehmend als politischer Brandstifter dieser Unruheregion betätigt, wärmte damit die ETA-Argumentation auf, dass die spanische Regierung am Frieden im Baskenland nicht interessiert sei. Friedensgespräche zwischen der spanischen Regierung und der ETA waren im Sommer gescheitert. Die Forderung der baskischen Terror-Bewegung und ihrer politischen Freunde, den Frieden durch die Unabhängigkeit eines erstmals vereinigten französisch-spanischen Baskenlandes herbeizuführen, wird sowohl von Madrid wie von Paris strikt abgelehnt.

Ralph Schulze

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