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Politik: Watergate auf Italienisch

Eine Abhöraffäre zieht möglicherweise Kreise bis in den Militärgeheimdienst

Vor einem Jahr, als die Landtagswahl nahte, fürchtete Francesco Storace, in der Region Lazio – dem „Bundesland“ Rom – sein Amt als Ministerpräsident zu verlieren. Da kam in Gang, was Zeitungen und Ermittler ein „Komplott gegen die freien Wahlen“, quasi ein italienisches Watergate, nennen: Auf Storaces unmittelbaren Gegner, den Linken Piero Marrazzo, wurden Privatdetektive und Kameras angesetzt; seine Bankkonten und Telefonverbindungen wurden durchforstet.

In die Unterstützerlisten von Storaces zweiter Konkurrentin, der Faschistin Alessandra Mussolini, wurden etwa 4000 falsche Namen geschmuggelt, um vorzuspiegeln, sie habe sich rechtswidrig die Wahlzulassung erschlichen. Polizisten drangen ohne Berechtigung in städtische Melderegister ein und wühlten im Kriminalregister des Innenministeriums. Nachdem Storace die Wahl dann doch verloren hatte, telefonierten zwei der Hauptverdächtigen: „Meinst du, er bezahlt uns trotzdem?“ – „Er hat mich schon bezahlt. Wirklich.“ So hat es die Polizei abgehört.

Nun sind 16 Personen in Haft: elf Privatdetektive und Leiter von Ermittlungsfirmen, drei Polizeibeamte verschiedener Rangstufen sowie zwei Mitarbeiter des Telefonkonzerns „Tim“. Die meisten von ihnen sollen gestanden haben. Storace selbst gehört nicht zu den direkt Beschuldigten, aber alle Spuren führen in sein Büro. Deshalb trat er nun als Gesundheitsminister zurück, zu dem er nach der Wahlniederlage in Lazio befördert worden war. Selbst im Regierungslager sieht ihn keiner mehr als „unschuldiges Opfer linker Wahlpropaganda“. Gelobt wird er nur für den „ehrenvollen Akt moralischer Verantwortung“, mit dem er vier Wochen vor der Parlamentswahl das Amt räumte.

Die Zeitung „La Repubblica“ aber will ein viel weitergehendes Geflecht politischer Intrige aufgedeckt haben. Nach ihren Recherchen gehören Storaces Spione in den Dunstkreis des Militärgeheimdienstes Sismi. Dessen Chef, Nicolò Pollari, reichte nach Veröffentlichung des Berichts am Samstag sofort seinen Rücktritt ein; Premier Silvio Berlusconi lehnte diesen aber ab.

Exminister Storace gehört zur rechtskonservativen Alleanza Nazionale und war lange engster Vertrauter von Parteichef und Außenminister Gianfranco Fini. Dieser bemüht sich seit Jahren, der postfaschistischen Partei das salonfähige Image einer normalen konservativen Kraft zu geben. Lazio wirft die Alleanza Nazionale um Jahre zurück. Berlusconi kommt die Beschädigung der Alleanza und ihres Chefs gelegen: Fini gilt als Konkurrent um den Vorsitz im Mitte-Rechts-Bündnis. Berlusconi will die Koalition allein in die Wahl führen, Christdemokrat Pier Casini und Fini sind für eine Troika.

Doch auch der Premier hat Probleme: Mailands Justiz plant einen neuen Prozess: Berlusconi soll sich falsche Zeugenaussagen erkauft haben. Der britische Anwalt David Mills soll 600 000 Dollar dafür erhalten haben, dass er in einem Prozess um die Bestechung von italienischen Richtern nicht die Wahrheit gesagt hatte. Berlusconi nennt die Richter jetzt „die Krankheit unserer Demokratie“. Bei einem Fernsehauftritt am Sonntagabend kam es zum Eklat, als der Regierungschef wutentbrannt während eines Live-Interviews aus dem Studio stürzte. Da er mit den Fragen der Redakteurin des staatlichen Senders RAI 3 nicht einverstanden war, herrschte er sie an: „Dieser Kanal ist eine Kriegsmaschine, die gegen den Ministerpräsidenten gerichtet ist.“ Nach seinem Wutausbruch packte er seine Unterlagen und ging.

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