zum Hauptinhalt
Inneministerin Nancy Faeser (SPD) fasst Abschiebungen nach Afghanistan ins Auge.

© dpa/Michael Kappeler

Wechselt die Regierung ihren Kurs?: Warum Faeser jetzt Abschiebungen nach Afghanistan prüft

Selbst Gefährder und schwere Straftäter werden bislang nicht nach Afghanistan abgeschoben. Die Innenministerin prüft, ob es doch möglich ist. Experten sind skeptisch.

Immer wieder wird die Öffentlichkeit aufgewühlt von Fällen wie dem eines 30-jährigen Flüchtlings aus Afghanistan, der 2019 mit anderen Männern ein 14-jähriges Mädchen in einem Flüchtlingsheim im baden-württembergischen Illerkirchberg vergewaltigte. Einer der verurteilten Mittäter wurde inzwischen in den Irak abgeschoben. Im Fall des 30-Jährigen ist dies aber wegen der Sicherheitslage in Afghanistan nicht möglich.

Nachdem der Mann seine Gefängnisstrafe abgesessen hatte, forderte die baden-württembergische Migrationsministerin Marion Gentges (CDU) die Überstellung des Afghanen in sein Heimatland. Innenministerin Nancy Faeser (SPD) lehnte dies allerdings unter Verweis auf die Gefährdung vor Ort ab.

Doch nun denkt Faeser darüber nach, ihren Kurs bei Abschiebungen von Gefährdern und Straftätern nach Afghanistan zu ändern. „Bei ausländischen Straftätern und Gefährdern, von denen eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit in Deutschland ausgeht, müssen Abschiebungen besonders forciert werden“, sagte ein Sprecher des Innenministeriums am Montag. „Daher werden auch Möglichkeiten geprüft, wie Abschiebungen von Straftätern und Gefährdern nach Afghanistan wieder erfolgen können – auch wenn die Schwierigkeiten hier groß sind.“ 

Abschiebungen nach Afghanistan sind seit dem Sturz der afghanischen Regierung durch die Taliban im August 2021 ausgesetzt. Für eine Wiederaufnahme von Abschiebungen wäre es nach den Angaben des Sprechers erforderlich, mit Afghanistan eine Verständigung über die Rückübernahme von Personen zu erreichen und entsprechende Modalitäten wie die Identifizierung, die Ausstellung von Dokumenten und die konkreten Rückführungsverfahren zu vereinbaren.

Zudem müsse der Schutz der Begleitkräfte und der Flugzeugbesatzungen gewährleistet sein. „Angesichts der außerordentlich schwierigen Sicherheitslage und der Tatsache, dass keine international anerkannte Regierung in Afghanistan existiert, sind somit schwierige Fragen zu klären“, lautete das Fazit des Ministeriumssprechers.

Genau hier sehen allerdings Fachleute wie der Migrationsexperte Gerald Knaus ein entscheidendes Hindernis. Nach seiner Einschätzung werde die Prüfung zu dem Ergebnis kommen, „dass Abschiebungen, egal wie wünschenswert sie sind, nach Afghanistan nicht stattfinden werden“.  

Die Europäische Menschenrechtskonvention verbiete die Abschiebung von Menschen in Gebiete, in denen ihnen Misshandlungen drohen, sagte Knaus dem Tagesspiegel weiter. „Bevor man noch zur moralischen Frage kommt, sind die grundlegenden praktischen Fragen – etwa zu den Garantien der Taliban-Regierung und der Sicherheit des Begleitpersonals – vollkommen ungeklärt“, kritisierte er.

Es gibt gar keine Gesprächspartner in Afghanistan

Erschwert wird das Vorhaben auch dadurch, dass die Ampel-Parteien eine unterschiedliche Sichtweise bei dem Thema haben. SPD-Fraktionsvize Dirk Wiese hatte der „Welt“ gesagt, dass eine Lösung benötigt werde, um „insbesondere schwerwiegende und sicherheitsgefährdende Fälle zu regeln“. Ähnlich äußerte sich auch Stephan Thomae, parlamentarischer Geschäftsführer der FDP-Bundestagsfraktion.

Um nach Afghanistan abzuschieben, müsste man mit den Taliban reden.

Julian Pahlke, Grünen-Bundestagsabgeordneter

Der Grünen-Bundestagsabgeordnete Julian Pahlke sagte dagegen dieser Zeitung, dass die Prüfung im Innenministerium „hochgradig problematisch“ sei. Die Gewalt und Unterdrückung der Taliban treffe nicht nur Frauen und Mädchen, sondern die gesamte Bevölkerung in Afghanistan. „Um nach Afghanistan abzuschieben, müsste man mit den Taliban reden“, sagte er. Dies würde aber dem Kurs der westlichen Staaten widersprechen, das Taliban-Regime politisch nicht anzuerkennen.

Dass sich die Beziehungen zwischen Berlin und dem Regime in Kabul verbessern, ist derzeit überhaupt nicht absehbar. Im Gegenteil. So kündigte das Auswärtige Amt im vergangenen Dezember an, die Afghanistan-Hilfen zu überprüfen, nachdem die Taliban Frauen die Mitarbeit bei internationalen Hilfsorganisationen untersagt hatten.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false