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Weißrussische Polizisten bei Demonstrationen stoppten die Proteste gegen Wahlsieg von Amtsinhaber Lukaschenko.

© dpa

Update

Weißrussland und andere: Regierung weicht Debatte über Polizei-Kooperation mit autoritären Staaten aus

Wie hält es die Bundesregierung mit der Polizeizusammenarbeit mit autoritär regierten Staaten? Seit der Fall Weißrussland aufgedeckt wurde, steht diese Frage im Raum. Doch offenbar will die Regierung dazu keine Stellung nehmen. Die Linke kritisiert das.

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Nach der Debatte um die Polizei-Kooperation Deutschlands mit Weißrussland verweigert sich die Bundesregierung einer Debatte über die Zusammenarbeit mit anderen autoritären Staaten. „Die Bundesregierung nimmt keine derartige Kategorisierung von Staaten vor, in denen deutsche Polizeibeamte im Rahmen der internationalen Zusammenarbeit seit 2006 tätig waren“, schrieb Innen-Staatssekretär Ole Schröder (CDU) in einer dem Tagesspiegel vorliegenden Regierungsantwort an den Linken-Innenpolitiker Jan Korte.

Die Linke hatte nach Missionen oder Kooperationen mit anderen Ländern gefragt, die als „nichtdemokratisch, autoritär, totalitär oder nicht westlichen Standards entsprechend“ bezeichnet werden müssen. Korte hatte im Sommer nach Bekanntwerden von immer weiteren Einzelheiten zur Polizei-Kooperation mit Weißrussland auf eine Zusammenarbeit mit autoritären Regimen wie Libyen vor dem Umsturz, dem „vorrevolutionären“ Ägypten oder auch bei der Grenzsicherung in Saudi-Arabien hingewiesen. . 

Zugleich wurde bekannt, dass die Bundesregierung das Parlament bisher über einen großen Teil der Polizeizusammenarbeit mit anderen Staaten nicht informiert hat. So fehlten in den Antworten des Innenministeriums auf Anfragen der Linksfraktion nicht nur die umstrittene Polizeihilfe für Weißrussland, sondern auch alle Schulungen des Bundeskriminalamtes (BKA) für ausländische Sicherheitskräfte in Deutschland – weil nur nach „Auslandseinsätzen“ gefragt worden war, so die offizielle Begründung. Das geht aus einer Antwort der Bundesregierung auf eine andere neue Anfrage der Linksfraktion hervor. Der Tagesspiegel hatte zuvor berichtet, dass die Bundesregierung über Jahre hinweg die Ausbildungshilfe für Weißrusslands Miliz verschwiegen hatte. Über dieses Projekt gab die Bundesregierung den Abgeordneten keine Auskunft, weil es nicht von der Bundespolizei umgesetzt, sondern vom Inspekteur der Bereitschaftspolizeien der Länder „koordiniert“ worden sei, wie Innen-Staatssekretär Schröder mitteilte. Ähnliche Projekte gab es mit elf weiteren Ländern, darunter Kroatien, die Ukraine und Kirgistan. Auch über diese Zusammenarbeit erhielten die Parlamentarier jahrelang keine Auskunft. Reine Ländersache waren diese Fortbildungen keineswegs. Der Inspekteur der Bereitschaftspolizeien der Länder ist dem Bundesinnenminister direkt unterstellt, über seine Dienstreisen nach Minsk und in andere Hauptstädte gab er sowohl dem Bundesinnenministerium (BMI) als auch dem Auswärtigen Amt Auskunft. Das Projekt der Ausbildungshilfe für Weißrusslands Miliz etwa wurde vom BMI initiiert, und die Einsatzbeobachtungen in den Ländern, darunter der Einsatz beim Castor-Transport oder bei einer NPD-Kundgebung in Hannover, fanden „im Auftrag des BMI“ statt. Auch zu den Leitlinien für den Einsatz deutscher Polizeivollzugsbeamter im Rahmen internationaler Friedensmissionen verweigerte die Regierung detaillierte Auskünfte. Diese Leitlinien seien laut einem Beschluss der Innenministerkonferenz „nicht für eine Veröffentlichung freigegeben“, schrieb Schröder. Regelungen zum polizeilichen Engagement und zu möglichen Tätigkeitsfeldern seien in ihnen aber ohnehin „nicht enthalten“. Die Linke empörte sich über die Regierung. „Die internationale Polizeizusammenarbeit vollzieht sich offensichtlich in einem kaum einzusehenden Graubereich“, sagte die Abgeordnete Ulla Jelpke dem Tagesspiegel. Dass die Bundesregierung jahrelang Angaben über Ausbildungsmaßnahmen für ausländische Sicherheitskräfte „unterschlagen“ habe, sei eine „rotzfreche Missachtung des Parlaments“. Ihr Abgeordnetenkollege Korte kündigte wegen der knappen und ausweichenden Antworten eine Beschwerde der Fraktionsführung bei Bundestagspräsident Norbert Lammert (CDU) an, nachdem die Regierung zuvor sogar um eine Fristverlängerung gebeten hatte. Er sagte dem Tagesspiegel: „Man kann sich nicht an einem Tag hinstellen und Weißrussland oder das ehemalige Regime in Tunesien als autoritär bezeichnen und dann am nächsten Tag behaupten, man nähme keine ,derartige Kategorisierung von Staaten vor'. Das zeugt von einem rein instrumentellen Verhältnis zu Menschenrechten und ist keine Politik, die zur demokratischen Entwicklung beiträgt.“ Die Linke forderte von der Bundesregierung, „die Unterstützung und Zusammenarbeit mit allen Staaten, die systematisch die Menschenrechte verletzen und die Opposition oder Minderheiten unterdrücken, unverzüglich einzustellen“. Korte sagte, es müsse in Zukunft Sache des Bundestags sein, über Ausbildungseinsätze und den Export von Sicherheitstechnologie zu entscheiden. Jelpke erklärte: „Das Parlament muss wissen, wo deutsche Polizisten hingeschickt werden, welchen Diktaturen sie Hilfe anbieten, und es muss das Recht bekommen, solche Einsätze im Zweifelsfall zu stoppen.“Er sagte dem Tagesspiegel: „Man kann sich nicht an einem Tag hinstellen und Weißrussland oder das ehemalige Regime in Tunesien als autoritär bezeichnen und dann am nächsten Tag behaupten, man nähme keine ,derartige Kategorisierung von Staaten vor'. Das zeugt von einem rein instrumentellen Verhältnis zu Menschenrechten und ist keine Politik, die zur demokratischen Entwicklung beiträgt.“ Korte forderte von der Bundesregierung, „die Unterstützung und Zusammenarbeit mit allen Staaten, die systematisch die Menschenrechte verletzen und die Opposition oder Minderheiten unterdrücken, unverzüglich einzustellen“. Es müsse in Zukunft Sache des Bundestags sein, über Ausbildungseinsätze und den Export von Sicherheitstechnologie zu entscheiden.

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