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Welt-Aids-Tag: Kein Grund zur Sorglosigkeit

Die Zahl der HIV-Infektionen geht weltweit zurück. Sind wir auf dem Weg, Aids zu besiegen?

Der Ausnahmezustand ist in Sachen Aids normal geworden. Seit mehr als 30 Jahren wütet die Epidemie auf der ganzen Welt. Mehr als 30 Millionen Menschen sind in dieser Zeit an der Krankheit gestorben. 34 Millionen Menschen sind mit dem Erregervirus HIV infiziert. Zum heutigen Welt-Aids-Tag gibt es Zeichen, die auf eine Besserung hoffen lassen. Zugleich zeigen neue Zahlen, wie schnell Fortschritte im Kampf gegen Aids verloren gehen könnten.

Wie entwickelt sich die Zahl

der HIV-Infektionen weltweit?

Der neue Aids-Bericht der UN bestätigt, was viele gehofft hatten: Weltweit geht die Zahl der Menschen, die sich mit HIV infizieren, zurück. So steckten sich 2001 etwa 3,2 Millionen Menschen mit dem Virus an. 2011 waren es noch 2,5 Millionen. Einer der Hauptgründe ist der Zugang zu Medikamenten, sagt der Bonner Forscher Jürgen Rockstroh. Die Medikamente hemmen nicht nur das Virus und verzögern so den Ausbruch der Krankheit Aids. Indem sie das Virus daran hindern, sich zu vermehren, senken sie auch die Zahl der Viruspartikel in Blut und Sperma und damit das Risiko, andere anzustecken. Seit einigen Jahren finanzieren internationale Organisationen wie der Globale Fonds zur Bekämpfung von Aids, Malaria und Tuberkulose, die Medikamente für Millionen Menschen in armen Ländern. „Der breitere Zugang zur HIV-Therapie ist sicher der wesentliche Grund für den Rückgang der Neuinfektionen“, sagt Rockstroh.

Schaut man sich die Zahlen genauer an, gibt es aber große Unterschiede zwischen den Weltregionen. Die größten Erfolge wurden im südlichen Afrika erzielt, wo die Epidemie seit Jahrzehnten auch am schlimmsten wütet. Dort leben 69 Prozent aller HIV-positiven Menschen. Etwa jeder zwanzigste Erwachsene trägt dort das Virus in sich. Gab es 2001 noch 2,4 Millionen Neuinfektionen zu beklagen, waren es 2011 nur noch 1,8 Millionen.

Dagegen sind die Zahlen in Nordamerika, Europa oder Ostasien im gleichen Zeitraum leicht angestiegen. Dort überwiegen offenbar andere Faktoren, wie der sorglosere Umgang mit einer Krankheit, die inzwischen behandelbar ist.

Wie ist die Situation in Deutschland?

Zunächst einmal steigt die Zahl der HIV-positiven Menschen in Deutschland kontinuierlich an. Das liegt daran, dass die bessere Therapie dazu führt, dass weniger Menschen an der Krankheit sterben, als sich neu infizieren. So schätzt das Robert-Koch-Institut (RKI), dass in Deutschland inzwischen 78 000 Menschen leben, die mit HIV infiziert sind.

Aber auch die Zahl der Menschen, die sich im Laufe eines Jahres anstecken, ist wieder gestiegen. 2011 schätzte das RKI, dass sich etwa 2700 Menschen mit HIV angesteckt hatten. Es war das erste Mal seit 2001, dass die Zahl der Neuinfektionen im Vergleich zum Vorjahr sank. Die Hoffnung, dass es sich um eine Trendwende handeln könnte, hat sich aber zerschlagen. Diese Woche hat das RKI seine Schätzung für 2012 veröffentlicht. Demnach dürfte die Zahl der Neuinfektionen bei etwa 3400 liegen. Auch Großbritannien und die USA melden steigende Zahlen.

HIV trifft viele verschiedene Gruppen. So dürften etwa 630 HIV-Neuinfektionen dieses Jahr auf heterosexuelle Kontakte zurückgehen. Ein Anstieg ist aber vor allem bei jungen schwulen Männern zu sehen. Dafür gebe es viele Gründe, sagt Osamah Hamouda, Experte für sexuell übertragbare Krankheiten am RKI. „Es gibt Anzeichen, dass sich das Verhalten in dieser Gruppe geändert hat, im Zuge der besseren Therapiemöglichkeiten“, sagt er. So habe die Anzahl der Sexualkontakte zugenommen und weniger Menschen nutzten ein Kondom. „Der Schrecken von HIV hat sicherlich abgenommen“, sagt Hamouda. „In manchen Kreisen sagt man heute: ,Wenn das passiert, ist es auch nicht so schlimm.’ Und der eigene Status wird nicht mehr offen kommuniziert, wie das einmal der Fall war.“ Der Effekt sei aber nicht so stark, dass er allein die Zunahme erklären würde.

Ein anderer wichtiger Grund ist vermutlich die Rückkehr anderer sexuell übertragbarer Krankheiten. So steigt die Zahl der Syphilisfälle seit einigen Jahren steil an. „Und HIV und Syphilis begünstigen sich gegenseitig“, sagt Hamouda. Ein HIV-Infizierter, der auch an der Syphilis erkrankt ist, trägt ein höheres Risiko, andere anzustecken.

Wie sieht die Zukunft aus?

Viele Experten glauben, dass nun die Möglichkeit besteht, HIV langsam auf der ganzen Welt zurückzudrängen. „Wir wissen, wie wir HIV verhüten und behandeln können. Es braucht nur den Willen und das Geld dafür“, sagt Hamouda. Gerade das Geld macht aber vielen Experten Sorge. „Die große Frage ist, wie die Wirtschaftskrise weitergeht“, sagt Rockstroh. „Wenn etwa das Geld für den globalen Fonds wegfällt, dann macht das die Fortschritte zunichte.“

Was das bedeutet, ist zurzeit in Griechenland zu beobachten. Dort droht eine HIV-Epidemie unter Drogenabhängigen außer Kontrolle zu geraten. Zwischen 2007 und 2010 infizierten sich jedes Jahr zwischen 10 und 15 Menschen über unsaubere Nadeln mit HIV. 2011 waren es 256 Fälle. 2012 wurden allein in den ersten acht Monaten 314 Fälle gezählt.

Die europäische Seuchenschutzbehörde sieht Sparmaßnahmen im Gesundheitswesen als Ursache des dramatischen Anstiegs und hat Griechenland aufgefordert, etwa die Zahl der sauberen Spritzen, die Drogenabhängigen zur Verfügung gestellt werden, zu erhöhen.

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