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Einkaufen im Supermarkt

© dpa

Weltverbrauchertag: Die Freiheit, Geld zu verballern

Wir sind mehr als Verbraucher und Konsumenten: Wir können unser Leben selbst gestalten. Ein Kommentar zum Weltverbrauchertag

Ein Kommentar von Heike Jahberg

Heute gibt es einen Grund zum Feiern. Denn heute ist Weltverbrauchertag. Und weil jeder von uns ein Verbraucher ist oder eine Verbraucherin, ist heute unser aller Ehrentag. Toll! Obwohl? Was ist das eigentlich, ein Verbraucher? Verbrauchen, das klingt nicht sehr schmeichelhaft. In unserer Rolle als Verbraucher produzieren wir nichts, wir erfinden nichts, wir unternehmen nichts – wir verbrauchen nur. Manchmal sind wir auch die Endverbraucher. Das klingt dann verdächtig nach dem absoluten Ende der Produktions- und Nahrungskette.

Verbraucher sind wir alle

Nach uns kommt nichts mehr. Wir sind die Endstation. Einige nennen uns auch Konsumenten. Das klingt besser, meint aber dasselbe. Anschaffen, benutzen, aufbrauchen. Man konsumiert Fernsehen (schlecht) oder Drogen (ganz schlecht). Nein, wer uns auf den Verbrauch reduziert, macht sich das Leben zu leicht. Wir sind Kunden, Mieter, Versicherungsnehmer, Käufer und Patienten, wir sind Mandanten und Steuerzahler, wir sind Gäste und Abonnenten ... wir sind das alles in einer Person.

Und wir sind viele. Rund 80 Millionen Menschen leben in Deutschland, jeder, wirklich jeder ist ein „Verbraucher“. Alte und Junge, Arme und Reiche, Schlaue und Tölpel, Nette und Garstige, wir Verbraucher sind der Spiegel der Gesellschaft. Und manchmal sind wir auch der Retter der Wirtschaft. Es sah ja im vergangenen Jahr vorübergehend nicht allzu rosig aus mit der deutschen Ökonomie. Das Wachstum auf Talfahrt, Angst vor der Russland-Krise, das Gespenst der Rezession geisterte durch die Konjunkturanalysen der Volkswirte. Nur auf eine Gruppe war Verlass, auf uns „Verbraucher“. Hätten wir nicht tapfer gegen die Krise angeshoppt, stünde die deutsche Wirtschaft heute nicht so gut da.

Mit dem Lexikon zum Shoppen

Dabei ist das Leben als „Verbraucher“ kein Zuckerschlecken. Ständig muss man auf der Hut sein. Den besten Tarif fürs Smartphone zu finden, ist eine Wissenschaft für sich. Sein Portfolio bei der Bank so zusammenzustellen, dass am Ende ein hübsches Sümmchen herausspringt, ist auch nicht ganz leicht. Und wer wirklich alle Angaben auf den Lebensmittelverpackungen verstehen will, sollte entweder einen Kurs in Ökotrophologie belegt haben oder sicherheitshalber ein Lexikon mit zum Shoppen nehmen.

Keine Frage. Die Gegenseite ist uns überlegen. Der Versicherungsvermittler kann uns überteuerte oder unnötige Policen andrehen, Bankberater können uns ihre provisionsträchtigen Zertifikate unterschieben. Der Augenarzt erklärt uns, warum wir unbedingt die Glaukom-Vorsorge brauchen, die aber leider, leider die Krankenkasse nicht zahlt.
Die Politik will uns nun ein wenig helfen. Bundes-„Verbraucher“-Minister Heiko Maas will uns anstupsen, das Richtige zu tun. Bei den sozialen Netzwerken etwa könnte die Politik Einstellungen vorschreiben, die unsere Daten schützen. Sie könnte die Kantinen dazu bringen, den Salat verlockend anzustrahlen und das Eisbein in die letzte Ecke zu verbannen. Und bei der Jobsuche könnte man Arbeitnehmern gleich eine Betriebsrente mit auf den Weg geben, falls sie nicht widersprechen.
Datenschutz, Altersvorsorge, Salat – das alles ist vernünftig. Sehr sogar. Es ist aber auch genau diese Art von Vernunft, die Eltern ihren Kindern gegenüber an den Tag legen. Mütze aufsetzen an kalten Tagen, Äpfel statt Schokoriegel in die Brotbox.

Verbraucherschutz für Dummies?

Kinder gehen zur Schule, um zu lernen. Sie büffeln Mathe und Englisch, aber sie erfahren wenig über das „Verbraucher“-Leben. Das ist schlecht. Denn nur wenn schon die Schüler mitbekommen, wie uns die Wirtschaft in die Irre führt, lockt und verwirrt, können aus ihnen später „Verbraucher“ werden, die nicht einfach etwas „verbrauchen“, sondern bewusst auswählen. Die gestalten, indem sie in der Lage sind, gute und schlechte Angebote zu unterscheiden. Und die damit auch der Wirtschaft helfen, weil sie schwarze Schafe erkennen und links liegen lassen.

Bildung ist das eine. Das Wichtigste. Information das andere. Wer wissen will, welches Produkt gut oder schlecht ist, liest in den Testberichten der Stiftung Warentest nach. Wer sich dafür interessiert, wie er sein Geld anlegen soll, geht erst zur Verbraucherzentrale und erst danach in die Bank.

Und für all die Menschen, denen das zu viel ist oder zu kompliziert, könnte man ein Standardprodukt anbieten, das gemeinsam mit Verbraucherschützern entwickelt wird. Ob Riester, Kredit oder Haftpflichtversicherung, was spräche gegen ein einfaches, kostengünstiges Standardprodukt, mit dem man vielleicht keine Bäume ausreißt, aber auch nicht viel falsch machen kann – Verbraucherschutz für Dummies?
Dennoch wird es immer Menschen geben, die das nicht wollen. Die sich nicht informieren und die das Erstbeste anschaffen. Die blöde Fehler machen und Geld zum Fenster hinauswerfen. Ja, und? Gehört nicht zur Freiheit auch die Freiheit, dumme Sachen zu machen?

Also: Schluss mit der Scheinheiligkeit. Wir brauchen einen Welt-„Verbraucher“-Tag genauso wenig wie einen Weltkatzen-, Weltnieren- oder Weltschlaftag. Wir „Verbraucher“ sind da, weltweit, an jedem Tag. Jeder Tag ist Welt-„Verbraucher“-Tag.

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