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Politik: Wenig Lust auf Arbeit

Der Pfingstmontag ist für die meisten Franzosen wieder Feiertag – die Regierung hatte es anders geplant

Berlin - Der Pfingstmontag ist auch in diesem Jahr wieder zum Politikum in Frankreich geworden: Der Großteil der Franzosen nahm sich frei – obwohl der damalige Premierminister Jean-Pierre Raffarin im November 2003 seine Landsleute eindringlich aufgefordert hatte, auf einen Feiertag im Jahr zu verzichten. Statt Verzicht herrschte aber auch an diesem Pfingstmontag in Frankreich wieder Konfusion: 40 Prozent der Arbeitnehmer gingen zur Arbeit; die Behörden blieben aber geschlossen. Der Schwerlastverkehr war von den Straßen verbannt; dafür hatte die Regierung von Dominique de Villepin mit Rücksicht auf die Pfingsturlauber gesorgt.

Der Appell von Villepins Vorgänger Raffarin, einen Tag pro Jahr mehr zu arbeiten, ging seinerzeit auf eine große Hitzewelle in Frankreich im Sommer 2003 zurück. Damals starben 15 000 Menschen. Bei den Opfern handelte es sich häufig um allein gelassene ältere Menschen. So groß die Empörung über diesen gesellschaftspolitischen Skandal in Frankreich seinerzeit war, so schwierig erwies es sich anschließend für die Gesetzgeber, Abhilfe zu schaffen. Nach dem Vorbild der deutschen Pflegeversicherung wurde vor zwei Jahren ein Gesetz erlassen, das den Pfingstmontag zum Arbeitstag erklärte. Die erwirtschafteten Mehreinnahmen sollten der Alten- und Behindertenpflege zugute kommen.

In Deutschland war in den 90er Jahren der Buß- und Bettag als Feiertag weit gehend abgeschafft worden, um die Arbeitgeberbeiträge zur Pflegeversicherung zu finanzieren. Ganz so unproblematisch funktionierte die Sache in Frankreich aber nicht: Als dort im vergangenen Jahr der Pfingstmontag wie ein normaler Arbeitstag gehandhabt werden sollte, erschien nur ein Viertel der Schüler zum Unterricht.

Villepins Regierung hat inzwischen die Konsequenzen aus dem Unmut gezogen, den die Franzosen im vergangenen Jahr angesichts der beabsichtigten Abschaffung des Pfingstmontags spüren ließen. Es bleibt nun Arbeitgebern und Arbeitnehmern selbst überlassen, wie sie die zusätzliche Zeit erarbeiten – Hauptsache, pro Jahr kommen zwei Milliarden Euro für die Betreuung der Alten und Behinderten zusammen. Bei etlichen Firmen in der Privatwirtschaft – darunter der Kosmetikkonzern L’Oreal oder die Zeitarbeitsfirma Adecco – wurde daher auch am Pfingstmontag gearbeitet. Andere Großunternehmen wie der Erdölkonzern Total und die private TV-Gesellschaft TF1 hatten sich hingegen großzügig gezeigt; hier hatten sich die Arbeitgeber bereit erklärt, die zusätzlichen Beiträge zur Sozialversicherung, die mit der Altenbetreuung anfallen, pauschal für die Angestellten zu übernehmen.

Denjenigen, die in Frankreich am Pfingstmontag zur Arbeit gingen, bereitete vor allem die Kinderbetreuung Kopfzerbrechen – denn die Schulen blieben geschlossen. Regierungschef Villepin, der sich in Finnland mit europa- und energiepolitischen Fragen beschäftigte, musste am Montag einräumen: „Das System ist nicht perfekt. Es lässt sich sicher noch verbessern.“

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