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Politik: Wenn alle Dämme brechen

WAHL IN BRANDENBURG

Von Gerd Nowakowski

Mit Hochwasser und brechenden Dämmen kennt sich Ministerpräsident Matthias Platzeck aus, das hat er an der Oder und vor einem Jahr an der Elbe gezeigt. Doch nach der kalten Flut am Sonntag kann der sozialdemokratische Deichgraf nur Land unter melden. Die Wutwelle hat seine Partei einfach weggespült. Die SPD, die seit 13 Jahren das Land führt, verlor fast 16 Prozentpunkte: katastrophale Einbrüche gibt es in allen Landesteilen, alle vier kreisfreien Städte gingen verloren, und die CDU ist stärkste Partei. Schlimmer konnte es nicht kommen für Matthias Platzeck, der zum ersten Mal nach der Übernahme des Amts von Manfred Stolpe seine Partei in einen Wahlkampf führte.

Überraschend kommt die Niederlage für die Sozialdemokraten nicht; die Unzufriedenheit der Bevölkerung mit der rot-grünen Bundesregierung war im Wahlkampf zu spüren. Das war keine Kommunalwahl, sondern eine Abstimmung über die großen Reformthemen Gesundheit, Rente, Steuern und Arbeit. Geschockt hat die Genossen aber, wie massiv der Unmut war, der die Brandenburger SPD auf einen historischen Tiefpunkt drückte: Bundeskanzler Gerhard Schröder war gemeint, Platzeck wurde bestraft.

Nach dem Sonderfall Bayern, wo für die Sozialdemokraten in der Landtagswahl nichts zu gewinnen war, muss das Desaster in Brandenburg den SPD-Vorsitzenden Schröder besonders beunruhigen. Die Reformdebatte wird nun noch härter werden – auch unter den Sozialdemokraten. Die ostdeutschen SPD-Funktionäre werden auf größere Rücksicht drängen, weil sich die Menschen in den neuen Ländern von den Reformen besonders getroffen fühlen. Beunruhigen muss Gerhard Schröder auch, dass nach dem Niedersachsen Sigmar Gabriel ein zweiter Hoffnungsträger der Partei beschädigt wird.

Doch Platzeck macht es sich zu einfach, die massiven Verluste auf den Trend zu schieben, der derzeit kein Genosse ist. Das war nicht nur der Schröder-Effekt, dazu kommen viele hausgemachte Probleme. Nur manche sind ein Erbe seines Vorgängers Manfred Stolpe, der den Brandenburgern Zumutungen und Herausforderungen möglichst ersparte. Das hat Folgen: In Brandenburg sind die Menschen reformunwillig wie sonst nirgendwo in Deutschland. Der Preis für diese Fürsorge, die jede Härte vermeiden wollte, war hoch – und ist nun nicht mehr zu bezahlen. Das Land ist hoch verschuldet, Großprojekte wie Lausitzring und Cargolifter sind gescheitert oder stehen wie die Frankfurter Chipfabrik vor dem Aus.

Den Brandenburgern zu sagen, wie schlecht es dem Land wirklich geht und welch harte Schnitte nötig sind, das hat auch Platzeck seit seinem Amtsantritt vermieden. Er setzt auf eine geräuschlose Modernisierung, die er moderierend begleitet. Unter der Verdrossenheit mit der Politik der Bundesregierung köcheln deshalb die regionalen Konflikte wie die ungeliebte Gemeindereform, für die offenbar nicht der eigentlich zuständige Innenminister Schönbohm verantwortlich gemacht wird, sowie die Finanznot der Kommunen. Der SPD fehlt Profil, überall zeigen sich Abnutzungserscheinungen nach der langen Regierungsverantwortung. Und trotz sozialdemokratischer Hätschelei sind die Wähler treulos: Der riesige Erfolg der freien Wählergruppen und die katastrophal geringe Wahlbeteiligung zeigen, dass die erfolgsgewohnte und manchenorts selbstherrlich gewordene SPD ihre Wähler nicht mehr binden und von ihrer Leistung überzeugen kann.

Der Koalitionspartner CDU als erstmals stärkste Partei ist neben der PDS, die in den kreisfreien Städten abräumte, der Sieger. Der CDU-Landesvorsitzende Jörg Schönbohm, der die CDU seit 1998 zu einer schlagkräftigen Partei einte, hat nun die Chance, bei der Landtagswahl im kommenden Jahr Ministerpräsident zu werden. Nach der Kommunalwahl ist deshalb vor der Landtagswahl.

Deichgraf Platzeck wird für die Landtagswahl die Dämme befestigen und hoffen, dass in einem Jahr die Wutwelle gegen die SPD abgeebbt ist. In der SPD-CDU-Koalition wird der Ton rauer werden. Ohne Aussicht, ihre alte Stärke zurückzugewinnen, wird die SPD um einen anderen Partner werben, um die Macht für die Zukunft zu sichern; doch die wieder erstarkte PDS wird sich teuer verkaufen. Aufbruchstimmung für das Land verheißt das nicht, eher Streit und Stillstand in der Landesregierung.

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