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Politik: Wer beginnt, gewinnt

Von Stephan-Andreas Casdorff

Alle sagen, es ist zum Verzweifeln, so oder so. Also: Glauben Sie auch immer noch daran, dass Sparen in dieser Lage Aufschwung schafft?

Die Aussagenlogik sagt: Wenn etwas vier Jahre nicht funktioniert, der Aufschwung nicht kommt, dann spricht alles dagegen, dasselbe fünf Jahre zu machen. Und Himmel, die USA schaffen es doch auch. Sie investieren erst – und sparen dann in den besseren Zeiten. See Clinton! Der amerikanische Präsident hinterließ einen sauberen Haushalt, der es Nachfolger Bush erst ermöglicht hat, seine Politik zu machen. Und nun, welche Ironie: Der Konservative Bush, der riesig investiert, macht alles falsch, sagen die Wirtschaftler – und bangen und hoffen, dass der Aufschwung in Amerika, sein Aufschwung, nachhaltig ist und uns hier retten möge.

Es ist schon richtig, dass man zum Beispiel bei der Kohle rein- und ordentlich Geld raushauen kann. Aber die Folgekosten mit Tausenden, die morgen auf der Straße stünden, voller Wut, kann derzeit kein Politiker tragen. Nicht bei ungefähr fünf Millionen Arbeitslosen. Und beim Arbeitslosengeld II kürzen? Bei 291 Euro plus Zulagen, insgesamt vielleicht rund 600 Euro? Welch’ eine Ironie: Während der Spitzensteuersatz für die Vielen um sechs Prozentpunkte gesenkt wird, der Eingangssteuersatz für die Wenigen um nur drei? Während die Einnahmen aus der Lohnsteuer enorm gestiegen sind, aber die aus der Körperschaftsteuer deutlich gesunken? Sicher, in der Zusammenstellung ist das polemisch. Aber eines stimmt: Die Empfänger kleiner und mittlerer Einkommen tragen den Staat. Gerecht ist, was … Man muss noch mal darüber nachdenken, über die soziale Systematik. Und man muss mal wieder nachlesen, was der Papst dazu alles gesagt hat. Da klingt er geradezu wie ein – ja, wie ein Linker!

Politik wird nicht gegen das Volk gemacht, Politik kann nur mit Mehrheiten durchgesetzt werden. Diese Bundesregierung, das am Rande, hat bei keiner Wahl ein Mandat für das erhalten, was sie den Menschen zumutet, wenn sie ehrlich ist.

Seien wir ehrlich: Reformieren heißt auch sparen. Regierungskunst wäre es deshalb, die Themen Investieren und Reformieren zu trennen. Sagen wir so: Schulden darf man machen, um Geld gezielt dort reinzustecken, wo es etwas bringen könnte – zugleich aber nicht den Eindruck erwecken, damit hätten sich Reformen erledigt. Die Reform der Sozialversicherung hin zu gerechter Belastung aller, die ist das Jahrhundertprojekt. Und wer zuerst beginnt, gewinnt. Die Reformen müssen deshalb alle parallel weiterlaufen, weil sonst das ganze Investieren auch nur vorübergehend nützt und der Erfolg wieder aufgefressen wird. Die Stimmung im Volk könnte sich aber gerade deswegen bessern – das Reformieren würde unterstützt, pekuniär und emotional. Vertrauen schafft Konsum schafft Nachfrage schafft Arbeitsplätze.

Noch ein Wort zur Sozialhilfe: Hier kann etwas getan werden. Dafür dürfen aber nicht quasi alle Empfänger zu faulen Säcken degradiert werden. So kaltschnäuzig darf keiner sein, schon gar kein christlicher Demokrat. Viel wichtiger wäre, die Solidarität zwischen echten und vermeintlichen Bedürftigen zu erschüttern. Tricksen müsste geächtet werden, auch im persönlichen Umgang. Das zu erreichen ist ganz große Regierungskunst, funktioniert aber auch nur, wenn nicht alle Empfänger pauschal beleidigt werden.

Also: Kann uns Sparen in dieser Lage helfen? Ja, an den richtigen Stellen. Und wenn zugleich Raum für Investitionen geschaffen wird, an den richtigen Stellen, dann kann der Aufschwung kommen.

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