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Mehr als gut versorgt. Obwohl es in den Städten meist genügend Ärzte gibt, wollen wiele junge Mediziner dort praktizieren. Auf dem Land dagegen hapert es an Praxen. Kassen und Regierung wollen das ändern, sind aber über den Weg uneins. Foto: Robert Schlesinger/dpa

© dpa

Politik: Wer bleibt, muss bluten

In den Städten gibt es zu viele Mediziner, auf dem Land zu wenige. Wie die Kassen das ändern wollen

Berlin - Das Gesetzesvorhaben der Regierung für eine bessere medizinische Versorgung geht den gesetzlichen Krankenkassen nicht weit genug. Um mehr Ärzte in unterversorgte Regionen zu bringen, müsse auch die „massive Überversorgung“ in den Städten konsequent abgebaut werden, heißt es in einem Eckpunktepapier ihres Spitzenverbands, das dem Tagesspiegel vorliegt. Konkret fordern die Kassen darin vor allem zweierlei: Ärztezulassungen in Ballungszentren künftig zeitlich zu befristen und den Medizinern, die sich dennoch dort ansiedeln, weniger zu bezahlen.

Die Koalition will junge Mediziner zwar mit Honoraraufschlägen aufs Land locken, lehnt aber eine Schlechterstellung von Ärzten in überversorgten Gebieten ab. „Strafen für Ärzte sind der falsche Weg“, sagte ein Sprecher des Gesundheitsministeriums dem Tagesspiegel. Die Koalition setze stattdessen „auf Anreize, um das medizinische Angebot in bisher unterversorgten Gebieten zu verbessern“. Auch die KassenärztlicheBundesvereinigung (KBV) kritisierte die Forderungen der Krankenkassen. Angesichts des Ärztemangels müsse man „alles dafür tun, dass sich mehr junge Ärzte niederlassen“, sagte KBV-Sprecher Roland Stahl. Und auch „auf die Wortwahl achten“: Statt über Verbote zu sprechen, gehe es darum, Anreizsysteme zu schaffen.

Auf eine Differenzierung des beklagten Ärztemangels lassen sich die Lobbyisten ungern ein. Die Kassen aber begründen genau damit ihren Vorstoß. Um überall bedarfsgerechte Versorgung zu garantieren, benötige man derzeit rund 800 Ärzte, argumentieren sie. Gleichzeitig gebe es „25 000 Ärzte mehr als hierfür benötigt werden“. Es fehle also nicht generell an Medizinern, sie seien nur schlecht verteilt. Und das eine hänge mit dem anderen zusammen: „Der konsequente Abbau der Überversorgung und der Nachbesetzungsmöglichkeiten in überversorgten Regionen stärkt die Attraktivität einer Niederlassung in bisher weniger gut versorgten, zumeist ländlichen Regionen.“

Für die Ärzte in den Städten würden befristete Zulassungen vor allem eines bedeuten: dass sie ihre Lizenz zum Behandeln von Kassenpatienten nicht mehr verkaufen oder vererben könnten. Auch die Koalition sieht das Problem, dass sich einmal vergebene Zulassungen faktisch kaum noch zurückholen lassen. Sie will ihm aber nur ganz vorsichtig begegnen. Ihr Gesetzentwurf sieht vor, Kassenärztlichen Vereinigungen den Aufkauf von Arztsitzen in überversorgten Regionen zu ermöglichen. Und dieses Vorkaufsrecht soll nur gelten, wenn sich nicht ein Kind, Ehegatte, Lebenspartner oder ein bisheriger Mitbetreiber der Praxis um die Nachbesetzung beworben haben.

Man habe die „große Sorge, dass der Eindruck entstehen könnte, es gehe in irgendeiner Weise um Enteignung“, hieß es im FDP-geführten Ministerium, bevor man sich dort zu dieser Formulierung durchrang. Tatsächlich haben viele Ärzte den Verkauf ihrer Lizenz bei der Altersvorsorge fest einkalkuliert. Je nach Lage und Arztgruppe lassen sich damit oft mehr als 100 000 Euro erzielen. Man wolle niemanden enteignen, hieß es dazu beim Kassenverband. Ärzte, die bereits zugelassen seien, sollten ungeschoren bleiben.

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