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Politik: Wer hat, der hat

Von Moritz Döbler

Der Gipfel von Gleneagles hätte als Zäsur in die Geschichte eingehen können. Die sieben führenden Industrienationen der Welt und Russland verständigten sich vor einem Jahr auf mehr Hilfe für Afrika und auf Maßnahmen gegen die weitere Ausbreitung der Immunschwächekrankheit Aids, dazu ermutigt von einer einzigartigen Allianz von Stars und Künstlern aus aller Welt. An vielen Plätzen der Welt, auch vor dem Brandenburger Tor, fanden sich die Menschen ein, um Solidarität zu fordern. Es war eine große, bewegende Party, und es war trotzdem große Politik.

Die G 8 hatten die Menschen erreicht, vielleicht zum ersten Mal. Wie folgerichtig wäre es gewesen, beim nächsten Gipfel – an diesem Wochenende in St. Petersburg – auf ein Neues globale Einigkeit bei einem Thema herzustellen, das alle berührt. Vielleicht hätte das sogar das Thema Energiesicherheit sein können. Denn mal abgesehen von den hohen Strompreisen und Heizkosten, die viele hier zu Lande beklagen, geht es dabei ums große Ganze: Wohlstand lässt sich ohne Zugang zu Energie nicht herstellen.

Doch zwei akute Krisen drängen sich in den Vordergrund, Nahost und Iran. Sie werden bei den Gesprächen und den Pressekonferenzen eine herausragende Rolle einnehmen. Bewertungsdifferenzen sind zu erwarten. Und wenn ausgerechnet Russland als Gastgeber das Thema Energiesicherheit wählt, dann kann es auch da keine Einigkeit geben. Verkäufer haben andere Interessen als Käufer. Russlands Präsident Wladimir Putin hat seine Maßstäbe mehr als deutlich gemacht: Verhandelt wird nur auf Augenhöhe. Weil sein Land über viermal so viel nachgewiesene Vorkommen an Öl und Gas verfügt wie die übrigen G-8-Staaten zusammen.

Was also haben Energie-Habenichtse wie Deutschland Russland zu bieten? Das wird die Leitfrage der nächsten Jahrzehnte sein, ähnlich wie das atomare Gleichgewicht des Schreckens die Welt lange bestimmt hat. Wie sagt Putin? Russland wird sein Energiegeschäft nur für jene ausländischen Partner öffnen, die ihr Kerngeschäft für Russland öffnen.

Die heutige Abhängigkeit von Russland könnte also in eine wechselseitige wirtschaftliche Verflechtung münden. Das ist eine Chance ebenso wie eine Gefahr, vor allem aber unausweichlich, wenn die Deutschen ihren energieintensiven Wohlstand sichern wollen. So wie das Unternehmen Eon sich jetzt einen Anteil an einem großen sibirischen Gasfeld gesichert hat, könnten sich russische Investoren bei, sagen wir, Daimler-Chrysler in großem Stil einkaufen. Und die Politik würde das Geschäft einfädeln. So stellt sich Putin das vor – und deutsche Politiker werden sich dieser Erwartung kaum entziehen können.

Wenn es bei der Energie insgesamt schon keine Einigkeit im G-8-Kreis geben kann, so gilt das erst recht für die Atomkraft. Der will die Mehrheit der Gipfelteilnehmer zwar künftig wieder mehr Gewicht geben, Deutschland aber nicht. Es mag ein schwacher Trost für Angela Merkel sein, dass die Wähler daheim bisher wohl überwiegend hinter der Position stehen, die sie in St. Petersburg vertritt: Der deutsche Atomausstieg soll Bestand haben. Dass die Bundeskanzlerin nur so redet, weil sie es der SPD im Koalitionsvertrag versprochen hat; dass sie eigentlich wie die meisten anderen Teilnehmer den Ausbau der Atomkraft anstrebt, ist einer der vielen Widersprüche der großen Koalition ebenso wie der Show in Petersburg.

Die Abschlusserklärung des Gipfels wird ein Ja der Mehrheit und ein deutsches Aber enthalten, und so wird von Petersburg ein Signal für die Renaissance der Atomkraft ausgehen. Doch wird bei diesem Reizthema nach dem Gipfel eben keineswegs mehr Geschlossenheit herrschen als vorher, weder bei den Staats- und Regierungschefs der G-8-Staaten noch in der Bevölkerung. Deshalb kann man diesen Gipfel eigentlich nur abhaken und auf Heiligendamm hoffen. Vielleicht gelingt es Deutschland, als Gastgeber des G-8-Gipfels im kommenden Jahr, globale Einigkeit zu stiften. Beim Fußball ging es doch auch.

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