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Politik: Wer kommt?

Oskar Lafontaine, da war er noch SPD Chef, nannte sie einmal ein „Gottesgeschenk“ für die SPD. Das trifft sich gut.

Oskar Lafontaine, da war er noch SPD Chef, nannte sie einmal ein „Gottesgeschenk“ für die SPD. Das trifft sich gut. Denn erstens kann die SPD Gottesgeschenke jetzt gut gebrauchen (woran Lafontaine seinen Anteil hat). Und zweitens zieht Andrea Nahles über die rheinland-pfälzische SPD-Landesliste sicher in den 16. Deutschen Bundestag ein. Große Hoffnungen ruhen auf ihr, der jungen Parteilinken und früheren Juso-Chefin. Sie ist eines der wenigen Nachwuchstalente, welche die SPD zu bieten hat. Sie hat monatelang die SPD-Arbeitsgruppe zur Ausarbeitung der Bürgerversicherung geleitet. Nach der erwarteten Niederlage könnte sie SPD-Generalsekretärin werden, SPD-Vizevorsitzende und/oder stellvertretende Fraktionschefin, zuständig für die Gesundheitspolitik. Andrea Nahles ist jetzt 35 Jahre alt. Angela Merkel hat in diesem Alter gerade erst mit der Politik angefangen. has

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Selten haben sich in einer Grünen-Fraktion so viele profilierte Politikerinnen und Politiker um so wenige Posten beworben. Viele Spitzenfunktionen hat die Ökopartei nach dem Ende ihrer Regierungsbeteiligung im Bundestag in der 16. Legislaturperiode nicht zu vergeben. Mit der nordrhein-westfälischen Spitzenkandidatin Bärbel Höhn wird die Konkurrenz nun noch größer. Die ausgewiesene Linke hat in der Partei in den vergangenen Jahren häufig als Gegenspielerin Joschka Fischers agiert. Die Fraktion kann sich fragen, ob die langjährige NRW-Umweltministerin die richtige Politikerin ist, um die Grünen nach der Abwahl im Bund zu neuen strategischen Ufern zu führen. Doch als Vertreterin des größten Grünen-Landesverbandes und Liebling der Parteibasis verfügt die gelernte Mathematikerin über einen starken Rückhalt. Die Basis rechnet ihr hoch an, dass sie in sämtlichen Krisen mit dem Koalitionspartner SPD Kurs gehalten hat. Selbst als der frühere Ministerpräsident Peer Steinbrück die Koalitionsfrage stellte, bliebt Höhn gelassen. Das wird auch die Fraktion bedenken. hmt

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Mit Franz Josef Jung wird der Bundestag zumindest sangesfreudiger. Der überzeugte Rheingauer will erklärtermaßen dem deutschen Volkslied wieder zu mehr Beachtung verhelfen. Aber das ist natürlich nicht der Grund dafür, dass der 56-Jährige den komfortablen Job des CDU-Fraktionschefs in Hessen gegen den Abgeordnetenstuhl im Reichstag tauscht. Jung geht mit der Zusicherung der Kanzlerkandidatin Angela Merkel nach Berlin, dass er dort nicht zum Hinterbänkler wird. Auf den ersten Blick eine frappierende Sache, ist Jung doch Jugendfreund und ständiger Förderer seines Landesvaters Roland Koch. Koch vertraut seinem Jung so sehr, dass er ihn nach der CDU-Parteispendenaffäre schnell wieder holte. Aber auch Merkel schätzt den Konservativen wegen seiner Gradlinigkeit. Jung kann gegen politische Gegner unbarmherzig austeilen. In die eigene Partei hinein ist er loyal. bib

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Die FDP geht in fast unveränderter Konstellation in die nächste Wahlperiode. Neue sind rar. Einer ist Uwe Barth . Wobei, ganz neu ist der 41-jährige Physiker aus Jena im Berliner Politikbetrieb nicht. Seit zwei Jahren ist Barth Mitglied im Bundesvorstand seiner Partei. Allerdings bisher in der Rolle des Landespolitikers. Noch im vorigen Jahr war der Landeschef der Thüringer FDP als Spitzenkandidat in die Landtagswahl gezogen. Die FDP blieb unter der Fünf-Prozent-Hürde, aber die 3,4 Prozent waren ein deutlicher Fortschritt nach dem Tiefpunkt 1,1 Prozent 1999. Der Erfolg bescherte Barth den ersten Platz auf der Landesliste. Im Bundestag trifft er mit dem Schwerpunkt Bildung auf eine Kollegin Ost: Ex-Generalsekretärin Conny Pieper, Oberbildungspolitikerin der Fraktion. bib

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Für die Linkspartei ist es der Sprung in den Westen – und das betrifft auch die Köpfe. Mehr West- als Ostdeutsche wird die neue Linksfraktion haben. Aber der frühere baden-württembergische SPD- Vorsitzende Ulrich Maurer ist der Einzige, der mit einem Landtagsmandat zu den Linken gekommen ist. Nach der Ankündigung Oskar Lafontaines, für das Linksbündnis zu kandidieren, gab Maurer nach 35 Jahren sein SPD-Parteibuch ab, trat in die WASG ein, ließ sich auf Spitzenplatz eins in Baden-Württemberg wählen und wurde im Stuttgarter Landtag zum fraktionslosen Abgeordneten. Und er machte fröhlich seinen ehemaligen Genossen Konkurrenz. Fulminant war sein Abschiedsbrief an die Sozialdemokraten, Maurer geißelte den „Deformationsprozess“ der SPD, machte als „Ausdruck und Motor“ Gerhard Schröder namhaft. Melancholie? Von wegen. Den Idealismus machte er nun bei der Linkspartei aus, auf dem Bundesparteitag der umbenannten PDS Ende August rief er begeistert aus: „Das ist unsere eigentliche und größte Stärke.“ Maurer begriff schnell, wie er sich bei seinen neuen Genossen andienen kann – mit dem PDS- Ehrenvorsitzenden Hans Modrow verfasste er sogar gemeinsam ein Buch zum Projekt Linkspartei – und schimpfte noch einmal wortgewaltig über Schröder als „Zerstörer des sozialdemokratischen Volksparteiprojekts“.m.m.

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Irgendwann im Wahlkampf gab Oskar Lafontaine zu, dass seine besten Zeiten vorbei sind. Für andere fangen die besten Zeiten erst an: Katja Kipping etwa, eine von zwei weiblichen PDS-Spitzenkandidaten in den 16 Bundesländern. Als Direktkandidatin im Wahlkreis Dresden I kann sie erst am 2. Oktober gewählt werden. Doch die PDS sicherte ihre hübsche junge Vorzeigefrau (27 Jahre) ganz vorn in Sachsen ab, nachdem der Schauspieler Peter Sodann, bekannt als „Tatort“-Kommissar Bruno Ehrlicher, den Genossen einen Korb gegeben hatte. Aufmüpfig, selbstbewusst, so verkauft Kipping sich gern selbst, Worte wie „Widerstandsgeist“ oder „Lebendigkeit“ im Munde führend. So eine wird dann gern herumgezeigt, die stellvertretende PDS-Bundesvorsitzende durfte im Wahlkampf auf den Bühnen neben Lafontaine sitzen. Als Frau darf sie sich, da hilft die Quote, einen Spitzenposten in der neuen Fraktion aussuchen – nur Fraktionsvorsitzende wollen Gregor Gysi und Lafontaine dann doch noch selber werden. m.m.

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