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Wut auf die Mörder. In Lahore demonstrieren am Mittwoch Bürger nach dem Mord an Minister Bhatti. Foto: Rahat Dar/dpa

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Politik: Wer liberal ist, verliert sein Leben

Erneut ermorden Pakistans Extremisten einen Befürworter von Toleranz: den Minister für Minderheiten

Shahbaz Bhatti wusste, dass sein Leben in Gefahr war. Dass er als nächster auf der Todesliste stand. Doch er wollte sich nicht den Mund verbieten lassen, wollte sich nicht den Fanatikern beugen. Am Mittwoch bezahlte Pakistans Minister für religiöse Minderheiten, der einzige Christ in der Regierung, seinen Mut mit dem Leben. Auf offener Straße wurde der 42-Jährige in Islamabad erschossen, nur zwei Monate nach seinem Parteikollegen, dem liberalen Provinzgouverneur Salman Taseer. Wegen dieses Mordes steht einer der Leibwächter Taseers vor Gericht, der für sich in Anspruch nimmt, dass er mit der Tat den Vorschriften des Islams gefolgt sei.

Zu dem Mord an Bhatti bekannten sich die Taliban, doch es bleiben Zweifel an dieser Version. Die drei Attentäter eröffneten das Feuer auf Bhattis Auto, als er gegen 10.30 Uhr von seiner Residenz ins Büro fahren wollte. Bilder zeigten später den von Kugeln durchsiebten Toyota. Augenzeugen berichteten, die Mörder hätten zunächst den Wagen gestoppt, den Fahrer aussteigen lassen und dann Bhatti mit mehreren Salven niedergestreckt. Den Berichten zufolge trugen sie Shalwar Kameez, traditionelle Hängehemden und Pluderhosen, und flüchteten in einem weißen Suzuki Mehran.

Wie Taseer gehörte auch Bhatti der regierenden PPP an, der Partei der ermordeten früheren Premierministerin Benazir Bhutto. Beide Politiker hatten eine Änderung des rigiden Blasphemie-Gesetzes gefordert. Beide galten als Fürsprecher der religiösen Minderheiten. Und beide hatten sich für die zum Tode verurteilte Christin Asia Bibi eingesetzt.

Farahnaz Ispahani, ein Mitarbeiter von Präsident Asif Ali Zardari, sieht in den Morden eine konzertierte Kampagne, um jede liberale, fortschrittliche und humanistische Stimme in Pakistan abzuschlachten. Auch Bhatti hatte Morddrohungen erhalten. Erst vor kurzem hatte der Minister mehr Schutz angefordert. Doch an diesem Morgen ließ er seine Leibwächter im Büro auf sich warten. Damit drängt sich die Frage auf, ob die Attentäter das wussten – ob sie also einen Tipp aus der Umgebung ihres Opfers erhalten hatten. Am Tatort wurden Flugblätter gefunden, die angeblich vom regionalen pakistanischen Zweigverband der Taliban, dem Tehrik-i-Taliban Punjab, stammen. Darin warnen die Taliban, sie würden jeden töten, der das Blasphemie-Gesetz kritisiert. Doch eigentlich sieht es den Taliban wenig ähnlich, Flugblätter zu hinterlassen.

Die Radikalen missbrauchten das Blasphemie-Gesetz und den Fall Asia Bibi, um ein Regime des Schreckens zu errichten, kritisiert Pakistans Menschenrechtskommission. Die fünffache Mutter Asia Bibi war im November von einem Gericht zum Tode verurteilt worden, weil sie lästerliche Äußerungen über den Propheten Mohammed gemacht haben soll, was sie bestreitet. Asia Bibi wartet derzeit auf das Berufungsverfahren. Ihr Mann und vier ihrer Kinder – eine Tochter ist verheiratet – halten sich versteckt, weil auch sie in Lebensgefahr schweben.

Die Familie lebt von Almosen, finanzielle Hilfe von der Kirche erhalten sie nicht. Und selbst wenn Asia freigesprochen oder begnadigt werden sollte, werden sie und ihre Familie in Pakistan nie wieder sicher sein. In der Vergangenheit waren freigesprochene Blasphemie-Angeklagte immer wieder gelyncht worden.

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