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Politik: Wer schummelt, fliegt auf Von Tissy Bruns

An 460 Millionen Euro ist er irgendwie ausgehakt, der lobenswerte Pragmatismus der großen Koalition. Mit dem Geld sollen Familien entlastet werden, die für die Kinderbetreuung viel Geld ausgeben müssen.

An 460 Millionen Euro ist er irgendwie ausgehakt, der lobenswerte Pragmatismus der großen Koalition. Mit dem Geld sollen Familien entlastet werden, die für die Kinderbetreuung viel Geld ausgeben müssen. Doch aus der schönen Geste ist längst ein schwieriges Rechenexempel geworden. Denn in den Details haben sich Grundfragen versteckt, an denen sich die beiden Regierungsparteien nun abarbeiten: Familienleitbilder und Gerechtigkeit.

Es geschieht der Regierung recht. Wer über die Familie verhandelt, muss zwei Dinge wissen. Erstens ist deren Lebenswirklichkeit zwar den Spitzenpolitikern weithin unbekannt. Nicht aber Müttern und Vätern, die sich kein X für ein U vormachen lassen. Wer schummelt, fliegt auf. Die Regierung hat mit ihrem ersten Vorschlag zum Nachteil Alleinerziehender gerechnet, also grob ungerecht. Das muss sie nachbessern. Zweitens hat sich wieder einmal gezeigt, was unsere liberale Öffentlichkeit gerne leugnet: Familie ist keine ideologiefreie Zone. Wenn der Staat eingreift, rührt er an tief sitzende Wertvorstellungen. Muss um die Familie wirklich kein Kulturkampf mehr geführt werden? Nicht unter Eltern. Ihre Lehrer sind die Kinder, mit ihrem Drang, beim besten Freund, der besten Freundin gerade das zu suchen, was sie zu Hause nicht haben – die Fürsorge der Hausfrauenfamilien oder die Freiheitsnischen der Kinder voll berufstätiger Eltern.

Wer mit diesen Erfahrungen lebt, entwickelt allergische Reaktionen gegen Sonntagsreden und Etikettenschwindel. Damit aber hat die große Koalition die Familien behelligt. Was soll gefördert werden? Der private Haushalt als Arbeitgeber, Kinderbetreuung jeder Art, oder die Vereinbarkeit von Beruf und Familie?

Die SPD hat spät entdeckt, dass Geringverdiener schlecht abschneiden. Höchst peinlich für Sozialdemokraten. Aber immerhin ist Gerechtigkeit ein zweites Nachrechnen wert. Die Bundeskanzlerin aber ist in ihre eigene Grube gefallen. Weil Angela Merkel ihre C-Parteien kennt, hat sie versucht, die Verteilung der 460 Millionen unter eine familienferne Überschrift zu stellen: Arbeitsbeschaffung in privaten Haushalten. Gleichzeitig durfte ihre Familienministerin darauf hinarbeiten, das größte Defizit ins Visier zu nehmen, nämlich die Lasten berufstätiger Eltern. Über praktisches Regierungshandeln sollte die CDU dahin bugsiert werden, wo sie programmatisch nicht hin will: zu einem Familienleitbild auf der Höhe der Zeit. Denn die Union propagiert zwar die Wahlfreiheit, fürchtet aber bei jedem Schritt zur Förderung berufstätiger Eltern den Untergang der traditionellen Familie. Sie drückt sich vor einer gesellschaftlichen Wirklichkeit, in der beide Eltern arbeiten müssen oder wollen. Doch die C-Parteien, voran die CSU, sind ihrer Kanzlerin nicht auf den Leim gegangen: Sie reklamieren heftig, dass auch die traditionelle Alleinverdiener-Ehe von der neuen Steuerförderung profitieren muss.

Sie hätten Recht, wenn es in erster Linie um eine Arbeitsplatzstrategie ginge. Nicht aber, wenn es der Koalition um die Familie geht. Dann ist der Anspruch bei der Verteilung der 460 Millionen unverschämt, Alleinerziehende, berufstätige Eltern und Alleinverdiener-Familien gleich zu behandeln. Denn für die traditionelle Familie gibt es schon eine massive Steuerbegünstigung, das Ehegattensplitting. Entlastet werden müssen die Eltern, die auf Betreuung angewiesen sind.

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