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Sparminister? Guttenberg fordert jetzt vielmehr eine Anschubfinanzierung. Foto: dpa

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Bundeswehrreform: Wer soll das bezahlen

Mit der Bundeswehrreform wollte Verteidigungsminister zu Guttenberg Milliarden sparen – inzwischen muss er zugeben: Der Umbau der Armee kostet eher mehr Geld.

Von Michael Schmidt

Berlin - Die Bundeswehrreform von Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) nimmt allmählich Form an. Aber schneller noch, als den Ankündigungen des vergangenen Jahres konkrete Umbauschritte folgen, zeigt sich: Der einstige Anlass und das Ziel des Vorhabens haben sich in ihr Gegenteil verkehrt. Mit der Abschaffung der Wehrpflicht und einer Reduzierung der Soldaten von 255 000 auf 185 000 inklusive der Anwerbung von bis zu 15 000 Freiwilligen lässt sich nicht sparen – vielmehr kostet das alles nach Meinung von Oppositionspolitikern, mindestens zunächst einmal, eher mehr Geld. Woraus auch Guttenberg selbst inzwischen kein Hehl mehr macht.

Am Anfang aber stand das Spardiktat von Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU). 80 Milliarden Euro gelte es bis 2014 zu sparen, hieß es. 8,3 Milliarden sollte, nein: wollte Guttenberg dazu beitragen. Im Mai 2010 erklärte der Minister in einer Grundsatzrede an der Führungsakademie der Bundeswehr in Hamburg, für die Streitkräfteplanung brauche es „eine Paradigmenumkehr“: Künftig werde der Finanzrahmen den strukturellen Rahmen „und damit auch das eigene Anspruchsniveau“ vorgeben. Mit diesen Worten stellte er sich, durchaus zum Verdruss seiner Kabinettskollegen, auf der folgenden Sparklausur im Juni als des Finanzministers Musterschüler vor und begründete so seinen überraschenden Vorstoß zur Abschaffung der Wehrpflicht und einer deutlichen Reduzierung der Truppe. Seither hat er alle Mühe, dem Eindruck entgegenzutreten, er betreibe Sicherheitpolitik nach Kassenlage. Der Wehrbeauftragte, Hellmut Königshaus (FDP), zum Beispiel sagte noch gestern, in der Truppe bekomme er immer häufiger die Sorge vorgetragen, dass das Sparen an erster Stelle stehe und erst danach die Frage gestellt werde, ob die Soldaten mit den verfügbaren Mitteln ihre Aufgabe überhaupt erfüllen könnten.

Bald nach der Kabinettsklausur im vergangenen Jahr gab Guttenberg das ehrgeizige Sparziel zugunsten eines bescheideneren auf. Bis Ende August 2010 ließ er den Generalinspekteur Volker Wieker verschiedene Optionen durchrechnen – und erklärte, dass sich selbst „mit der sicherheitspolitisch gerade noch vertretbaren“ untersten Zielmarke von 163 500 Soldaten keine acht Milliarden einsparen ließen. „Es ist allgemein bekannt, dass wir selbst mit dieser minimalen Zahl zwar sparen können, aber auch das ursprüngliche Sparziel nicht erreichen können“, sagt der Minister rückblickend. Zwei Parteitage und eine Kabinettsentscheidung später dann wurde im Dezember politisch die Zielmarke auf bis zu 185 000 Soldaten nach oben korrigiert. Seither wird Guttenberg nicht müde zu betonen, er „habe immer gesagt, dass mehr Soldaten mehr Geld kosten“.

Bemerkenswert frühzeitig sprang ihm die Kanzlerin zur Seite. Die Bundeswehr müsse schon noch ihre von der Verfassung und durch internationale Abkommen vorgegebenen Verpflichtungen erfüllen können. „Wegen zwei Milliarden kann ich nicht die deutsche Sicherheit aufs Spiel setzen“, sagte Angela Merkel im Sommer. Und ergänzte: „Finanzen sind wichtig, aber Finanzen sind nicht die treibende Kraft einer Bundeswehr der Zukunft.“ Tatsächlich hat der Verteidigungsminister nach Informationen des „Handelsblatts“ die Etatzielsetzung für 2010 bereits um 900 Millionen Euro verfehlt und schraubte seine Erwartungen sogar noch hoch: Jetzt heißt es, er brauche 1,2 Milliarden Euro mehr bis 2014. In den Worten des Ministers vom Dezember 2010: „Dass eine große Reform von diesem Umfang einer Anschubfinanzierung bedarf, steht, glaube ich, außer Frage.“

Den SPD-Wehrexperten Rainer Arnold überrascht das alles nicht. Ein Sprecher des Verteidigungsministeriums erklärte zwar am Dienstag, im Bendlerblock sei man nach wie vor „der Haushaltskonsolidierung verpflichtet“. Doch Arnold findet das „unehrlich“. Er rechnet mit 700 000 bis 800 000 Euro Mehrkosten jährlich allein aufgrund von „ganz normalen“ Gehalts- und Preissteigerungen. Hinzu kämen jene Kosten, die Programme zur Attraktivitätssteigerung des Soldatenberufs verursachen – schließlich muss sich die Freiwilligentruppe ihre Mitarbeiter künftig im Wettbewerb mit der freien Wirtschaft suchen. Er gehe daher davon aus, dass die Regierung, „um das Gesicht zu wahren“, die Sparperiode strecken und das Erreichen des Sparziels vertagen werde. „Doch eine 185 000- Mann-Armee und milliardenschwere Einsparungen – das geht jetzt so wenig zusammen wie in 20 Jahren.“

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