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Politik: Wer Streit sät

Verbände klagen vor dem Europäischen Gerichtshof gegen die Gen-Kartoffel Amflora

Berlin - Ein Apfel, der groß, rund und rot ist, wirkt im Supermarkt verlockender als ein kleiner eingeschrumpelter. Und eine Kartoffel, die viel mehr Stärke liefert als eine andere, macht den Prozess der Stärkegewinnung effizienter und kostengünstiger. Um solche Superprodukte herzustellen und auf den Markt zu bringen, investieren Chemie-Unternehmen viel Zeit und Geld. Dass sie dafür Gentechnik verwenden, kurbelt immer wieder die Debatte um Nutzen und Risiken solcher gentechnisch veränderten Produkte an.

Gen-Gegner sehen in ihnen eine Gefahr für Mensch und Natur. Für sie birgt die neue Methode Risiken, die schwer abzuschätzen sind. Die schwarz-gelbe Bundesregierung hingegen lobt Gentechnik als Zukunftsbranche. Die Gen-Kartoffel Amflora hat es sogar als besonders unterstützenswertes Projekt in den Koalitionsvertrag geschafft. Doch genau diese Kartoffel könnte schon bald wieder vom deutschen Acker genommen werden. Auf einer etwa 15 Hektar großen Anbaufläche in Mecklenburg-Vorpommern wird Amflora seit April erstmalig angebaut. Das will die „Aktion Gen-Klage“, ein Bündnis von rund 40 Verbänden und Firmen, vor dem Europäischen Gerichtshof nun mit einer Klage rückgängig machen.

In der Kritik war Amflora wegen ihrer schwer einzuschätzenden Risiken schon vor der Zulassung gewesen. Die Kartoffel soll ein Gen enthalten, das den Organismus gegen das zur Bekämpfung von Tuberkulose-Erregern eingesetzte Antibiotikum Kanamycin resistent macht. Ein Bericht der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit hatte die Existenz des Resistenzgens als ungefährlich eingestuft. „Das war Trickserei“, sagt Christopher Palme, juristischer Berater der Aktion Gen-Klage. Hier handele es sich um den Versuch, das seit 2001 bestehende Verbot von Antibiotika in Gentechnik auszuhebeln. Ohnehin könne das gesamte Zulassungsverfahren für Amflora als umstrittenstes in der Geschichte der Gentechnik bezeichnet werden: Die EU-Kommission hatte 13 Jahre lang mit der Zustimmung gewartet, über die Risiken waren sich alle beteiligten Gremien uneins gewesen. Laut Bündnis Aktion Gen- Klage, dem unter anderem der BUND und der Landbauverband Naturland angehören, besteht die Gefahr, dass die Kartoffel in die Nahrungsmittelkette gelangt. Die EU-Kommission erlaubte schließlich nicht nur die Gewinnung von Stärke, sondern auch die Verwertung der Kartoffelreste als Futtermittel. Eine „Verunreinigung“ der menschlichen Nahrung von 0,9 Prozent ist nach Zulassung der EU-Kommission ebenfalls legal. Damit könne eine gesundheitliche Auswirkung durch das Resistenzgen nicht ausgeschlossen werden, zudem seien die ökologischen Risiken durch Amflora noch unzureichend untersucht, so das Bündnis.

Ob die Aktion Gen-Klage Recht bekommt, steht noch nicht fest, auf ein Urteil werden sie mindestens ein Jahr warten müssen. Ihnen geht es aber auch um mehr. „Wir wollen mit der Klage nicht nur eine juristische Entscheidung herbeiführen, sondern auch eine politische Diskussion anstoßen“, sagt BUND-Vorsitzender Hubert Weiger. Das Bündnis fordert die Bundesregierung auf, ihre Haltung zu korrigieren. Ein Ende April im Bundestag von der SPD eingereichter Antrag für ein Verbot scheiterte allerdings – CDU und FDP hielten an der Anbauerlaubnis fest. Für BASF wäre das Verbot der Kartoffel nach dem langen Zulassungsverfahren ein Rückschlag. Aber kein großer: Das Unternehmen plant, noch zwei neue gentechnisch veränderte Kartoffeln auf den Markt zu bringen.

Julia Rothenburg

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