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Politik: Wer, wann, wo – und was

Telekommunikationsdaten verraten mehr als nur Sender und Empfänger

Berlin - Viel Zeit bleibt nicht. Am 1. Januar 2008 tritt das neue Gesetz über die Telekommunikationsüberwachung in Kraft. Von da an müssen die Telekom und andere Unternehmen die sogenannten Verkehrsdaten von Telefonaten, SMS, E-Mail-, und Internetkommunikation sechs Monate lang speichern. Ob die Daten pünktlich zum Stichtag von Ermittlungsbehörden und Geheimdiensten abgerufen werden können, ist unterdessen fraglich. „Wir werden die Vorratsdatenspeicherung frühestens Ende 2008 vollständig umsetzen“, sagte Telekom-Sprecher Ralf Sauerzapf dem Tagesspiegel am Sonntag. Derzeit sei beispielsweise noch unklar, auf welchem Wege die Informationen den Ermittlungsbehörden und Geheimdiensten zur Verfügung gestellt werden. Das Bundesjustizministerium (BMJ), aus dem der Gesetzentwurf stammt, scheinen mögliche Schwierigkeiten bei der Umsetzung indes nicht zu interessieren. „Das ist das Problem der Telekommunikationsgesellschaften“, sagte ein Sprecher des Ministeriums.

Laut Gesetzentwurf können die Verbindungsdaten auf richterliche Anordnung bei den Telekommunikationsgesellschaften abgefragt werden. Dazu gehören Informationen über Sender und Empfänger von E-Mails, Anrufer und Angerufenen sowie Daten über Zeitpunkt und Dauer der Kommunikation. Zudem sollen von den Mobilfunkanbietern auch Informationen darüber gespeichert werden, welcher Funkmast bei Beginn eines Telefonats vom Handy angesteuert wurde. „Experten können aus diesen Daten viel mehr Informationen über den Nutzer herausfiltern, als es auf den ersten Blick erscheint“, sagt der britische Spezialist für Computersicherheit, George Danezis.

Bekannt ist, dass sich anhand von Mobilfunkdaten Bewegungsprofile der Nutzer erstellen lassen. Dagegen wisse bislang kaum einer, dass Verbindungsdaten der Telekommunikation auch versteckte Angaben über soziale Strukturen und Netzwerke von Personen beinhalten – und sich somit Rückschlüsse über die Rolle des Einzelnen innerhalb einer Gruppe oder in der Gesellschaft ziehen lassen. Auch könnten Analysten anhand der Daten ein präzises Bild davon zeichnen, welchen Aktivitäten eine Person zu einem bestimmten Zeitpunkt nachgegangen sei. „Der Ort, an dem Kommunikation stattfindet, ist für Datenexperten eine starke Information“, sagt Danezis. Aus den geografischen Daten ließen sich beispielsweise Annahmen über die religiöse oder politische Zugehörigkeit oder den Gesundheitszustand des Nutzers herleiten. Material, das Begehrlichkeiten wecken könnte, sagt Danezis. „Das sind hochsensible Informationen, die von Dritten für ihre Zwecke – etwa zur Wirtschaftsspionage – missbraucht werden könnten“, sagt der Computerexperte.

Um die Daten vor unautorisiertem Zugriff zu schützen, müssten die Telekommunikationsanbieter die vorgehaltenen Informationen verschlüsseln – was bislang nur teilweise geschieht. So legt etwa die Telekom Verbindungsdaten derzeit zwar in einer separaten Datenbank ab, auf die nur bestimmte Personen mittels verschiedener Kennwörter zugreifen können. Die Daten selbst sind jedoch unkodiert – eine Umstellung des Systems könnte teuer werden, sagt Danezis.

Experten rechnen damit, dass die Umsetzung des neuen Gesetzes die Unternehmen dreistellige Millionenbeträge kosten kann . Allerdings sollen die Unternehmen in Zukunft für jede einzelne Abfrage, je nach Datenmenge, entschädigt werden.

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