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Politik: Wer zu spät zweifelt

Streit um Geheimdienstberichte: Bush und Blair in der Defensive

Von Malte Lehming

und Matthias Thibaut

Der Präsident ging am Freitag wieder einmal in die Luft. An Bord der Air Force One flog er von Südafrika nach Uganda. An seiner Seite: Sicherheitsberaterin Condoleezza Rice. Weiter hinten, wo die mitreisenden Journalisten sitzen, herrschte Aufregung: Unter Berufung auf anonyme Mitglieder der US-Regierung berichtete die „Washington Post“, die CIA habe die britische Regierung bereits im September 2002 davor gewarnt, Geheimdienstinformationen zu verbreiten, denen zufolge der Irak versucht habe, waffenfähiges Uran aus Afrika zu kaufen. Dies behauptete, vier Monate später, auch George W. Bush in seiner Rede an die Nation. Wusste er nichts von den Bedenken der CIA? Oder hat er gelogen?

Inzwischen weiß man: Das Schlüsseldokument, das die Afrika-Verbindung des Irak belegen sollte, war eine Fälschung. Das Weiße Haus hat eingeräumt, dass es ein Fehler gewesen sei, diese Behauptung zu verbreiten. Aber wer hat wann von den Zweifeln erfahren? Das ist die entscheidende Frage, die in den USA aus dem Mysterium unauffindbarer Massenvernichtungswaffen im Irak bald einen handfesten politischen Skandal machen könnte. Die Bush-Administration jedenfalls gerät immer stärker in Bedrängnis. Den Stein ins Rollen brachte vorigen Sonntag der langjährige US-Diplomat Joseph Wilson.

Der war im Februar 2002 auf Anregung von Vizepräsident Dick Cheney und im Auftrag der CIA in den Niger gereist. Er sollte das angebliche Uran-Geschäft der Iraker überprüfen. Das Ergebnis der Mission? Negativ. Dennoch tauchte der Vorwurf im September 2002 in einem britischen Dossier wieder auf. Die CIA sagt, sie habe die britische Regierung gewarnt. Trotzdem wurde die Behauptung sogar vom eigenen Präsidenten wiederholt – unter Berufung auf britische Quellen. Hatte die CIA ihre Erkenntnisse in einer solch heiklen Frage womöglich nicht weitergeleitet? „Der Präsident hat nichts gesagt, von dem er wusste, dass es nicht stimmt“, polterte Condi Rice. Die CIA habe jeden Passus der Rede überprüft, sagte sie. Wenn CIA-Direktor George Tenet Einwände geltend gemacht hätte, wären die berücksichtigt worden.

Damit spitzt sich das Problem zu. Die CIA suggeriert, im Weißen Haus seien Fakten manipuliert worden. Das Weiße Haus wiederum beschuldigt die CIA, Fakten zurückgehalten zu haben. Außerdem widersprechen sich inzwischen die engen Verbündeten USA und Großbritannien. Der britische Premier Tony Blair verteidigt weiterhin die Informationen über die angebliche Niger-Connection des Irak. Und gerät darüber an allen Fronten in die Defensive. Zu Hause, in Westminster, wird bereits offen darüber spekuliert, ob er sich noch lange halten kann. „Werden keine Massenvernichtungswaffen gefunden, muss Blair zurücktreten“, sagte der Labour-Abgeordnete Brian Donohoe. Blair trat den geordneten Rückzug an. Er ist nur noch überzeugt, dass man im Irak Beweise für Saddams „Waffenprogramme“ finden werde, nicht aber die Waffen selbst. Zugleich mehren sich Forderungen nach einer richterlichen Untersuchung der Kriegsentscheidung. Blairs Kabinett ist bemüht, dem Autoritätsverfall zu begegnen. Doch schon wird gefragt, ob die Bedrohung durch Al Qaida ebenfalls propagandistisch übertrieben wurde. Trifft Blair nächste Woche mit Bush zusammen, stehen nicht nur Saddams Waffen auf der Tagesordnung. Blair wird auch die Auslieferung der in Guantanamo inhaftierten Briten verlangen, damit ihnen zu Hause ein ordentlicher Prozess gemacht werden kann.

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