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Politik: Werben verboten

WHO-Mitgliedstaaten verabschieden Anti-Tabak-Konvention

Der Tabakindustrie stehen ungemütliche Zeiten bevor: Alle 192 Mitglieder der Weltgesundheitsorganisation (WHO) verabschiedeten am Mittwoch in Genf die Anti-Tabak- Konvention. Damit, ist WHO-Generaldirektorin Gro Harlem Brundtland zuversichtlich, hat die Welt einen „historischen Fortschritt“ im Kampf gegen den blauen Dunst getan: Immerhin sterben jedes Jahr rund fünf Millionen Menschen an den Folgen ihres Lasters. „Ohne die Anti-Tabak-Konvention würde sich die Zahl der Opfer bis 2020 verdoppeln“, so Brundtland.

Die Konvention sieht für die Regierungen ihrer Mitgliedsländer ein umfangreiches Regelwerk vor: So soll die Werbung für Zigaretten wenn möglich ganz verboten werden, in jedem Fall aber sind Einschränkungen vorgesehen. Zudem haben die Hersteller die Zigarettenschachteln mit deutlichen Warnungen vor den Folgen des Rauchens zu versehen: Mindestens die Hälfte der Oberfläche, aber auf jeden Fall nicht weniger als 30 Prozent, soll für solche Hinweise reserviert werden. Außerdem sollen Passivraucher besser geschützt werden; in Gebäuden müssten laut Konvention schärfere Kontrollen der Luft eingeführt werden.

Weiter werden die Staaten dazu angehalten, den Kampf gegen Schmugglerbanden entschlossener zu führen. Und die Konvention mahnt, Steuererhöhungen für Tabak in Betracht zu ziehen. Allerdings verpflichten sich die Staaten nicht, die Abgaben auf die Zigaretten zu erhöhen. Das ist nach wie vor „das souveräne Recht“ der Staaten. Brundtland rief die 192 WHO-Staaten dazu auf, die Konvention so schnell wie möglich zu ratifizieren. Erst wenn mindestens 40 Länder das Regelwerk auch in ihren Parlamenten verabschiedet haben, tritt die Konvention in Kraft. „Die Länder müssen die Konvention dann als Basis ihrer nationalen Gesetzgebung zur Tabak-Kontrolle benutzen“, erinnerte Brundtland, gleichzeitig warnte sie vor Verzögerungen im politischen Betrieb.

Denn die ehemalige norwegische Regierungschefin geht davon aus, dass die Tabakindustrie wieder auf den Plan treten könnte: Etwa, indem sie Einfluss auf die Parlamentarier in den verschiedenen Ländern nimmt, oder indem sie die nationalen Anti-Tabak-Gesetze in der öffentlichen Diskussion zu verwässern versucht. Während ihrer fünfjährigen Amtszeit hatte Brundtland einen offenen Schlagabtausch mit der Tabakindustrie geführt. Die Firmen hätten „der öffentlichen Gesundheit den Krieg erklärt“, lautete die heftige Kritik der scheidenden WHO–Generaldirektorin. Ihre Nachfolge tritt im Juli der südkoreanische Arzt Jong Wook Lee an.

Neben der Tabakindustrie hatten auch drei Staaten lange Zeit verbissenen Widerstand gegen die Konvention geleistet: Japan, Deutschland und die USA. Während die Regierung in Tokio, die Anteile an dem Tabakkonzern Japan Tobacco hält, am frühesten nachgab, signalisierte Berlin erst vergangene Woche sein Einverständnis zur Anti-Tabak-Konvention. Allerdings lehnt die Bundesregierung wegen „verfassungsrechtlicher Bedenken“ ein absolutes Werbeverbot weiter ab – was sich mit der Konvention vereinbaren lässt.

Auch die US-Regierung lenkte erst spät ein. Gesundheitsminister Tommy Thompson betonte zudem nach Annahme der Konvention, dass seine Regierung auf den Abstimmungsprozess im Kongress keinen entscheidenden Einfluss habe. Ob die USA sich dem weltweiten Kampf gegen die Tabakindustrie anschließen, bleibt also weiter offen.

Die WHO-Chefin appellierte deshalb an die USA, es sei nicht nur entscheidend für die Amerikaner, dass der Vertrag in Washington ratifiziert wird, sondern „für viele Menschen auf der Welt.“ Immerhin erzielte allein der amerikanische Tabak-Konzern Philip Morris im Jahr 2002 weltweit Erlöse von über 80 Milliarden Dollar. Ein Ja der Vereinigten Staaten wäre deshalb eine starkes Signal – hofft Brundtland.

Jan Dirk Herbermann[Genf]

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