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Truppenbesuch in Afghanistan. Im Auswärtigen Amt gilt das Verhältnis von Außenminister Westerwelle (FDP) zur Bundeswehr – hier bei einem Besuch in Kundus im Januar – fast schon als „neurotisch“. Foto: Reuters

© REUTERS

Westerwelle und de Maizière: Zwei für Krieg und Frieden

Außenminister und Verteidigungsminister senden unterschiedliche Signale bei der Begründung von Auslandseinsätzen der Bundeswehr. Doch sie führen die Kontroverse nicht offen.

Von Hans Monath

Berlin - Guido Westerwelle wollte ganz sichergehen, dass seine Botschaft verstanden wurde. Gleich mehrfach bekannte sich der Außenminister am Freitagmorgen in einem Interview zur Friedenspolitik. „Wir betrachten die Kultur der militärischen Zurückhaltung als eine Konstante deutscher Außenpolitik“, sagte der Liberale dem Deutschlandfunk. Das Bekenntnis zur Friedenspolitik ist seit der Amtsübernahme Westerwelles eine Konstante seiner Rhetorik.

Verteidigungsminister Thomas de Maizière (CDU) hatte zwei Tage zuvor bei der Vorstellung der Bundeswehrreform andere Akzente gesetzt und die Notwendigkeit von Auslandseinsätzen begründet. „Wenn Wohlstand Verantwortung erfordert, dann gilt das auch für die deutsche Sicherheitspolitik“, sagte er und verwies auf die Sicherheitsinteressen einer rohstoffarmen Exportnation.

Deutschland müsse sich auch dann zu Militäreinsätzen durchringen, „wenn deutsche Interessen nicht auf den ersten Blick erkennbar sind“, verlangte der Verteidigungsminister. Viele Zuhörer empfanden den Satz als Versprechen des Merkel-Vertrauten, wonach die Bundesregierung nach der viel kritisierten Libyen-Enthaltung im UN-Sicherheitsrat nun ihre Bündnisverpflichtungen wichtiger nehme. Schon auf seiner USA-Reise kurz nach Ostern hatte der Minister betont, es gebe eine „politische Führungsaufgabe“ der Bundesregierung: Sie müsse den Deutschen deutlich machen, dass sie den sicherheitspolitischen Erwartungen der Welt an das eigene Land auch gerecht werden müsse.

Über die Rolle des Militärs in der deutschen Sicherheitspolitik führen Westerwelle und de Maizière keine offene Kontroverse. Regierungskreise versichern zudem, bei der Vorstellung der Bundeswehrreform und der „Verteidigungspolitischen Richtlinien“ im Kabinett am Mittwoch habe „absolutes Einvernehmen“ geherrscht, dass sich an den bisherigen Leitlinien der deutschen Sicherheitspolitik nichts ändern solle. Doch setzen beide Minister deutlich unterschiedliche Signale, wie auch die Opposition bemerkt.

Die starke Betonung der wachsenden Bedeutung internationaler Einsätze der Bundeswehr auch vor dem Hintergrund der Ressourcenabhängigkeit werfe Fragen auf, sagt etwa SPD-Vizefraktionschef Gernot Erler. Wenn man die beiden Minister höre, sei „eine einheitliche Linie der Bundesregierung nicht erkennbar“. Zwar habe Westerwelle recht, dass bei Auslandseinsätzen eine Kultur der militärischen Zurückhaltung geübt werden müsse, meint der SPD-Politiker. Doch wegen seiner „erratischen Außenpolitik“ habe Westerwelles Autorität inzwischen so stark gelitten hat, „dass er mit seinen Anliegen überhaupt nicht mehr durchdringt – weder innerhalb der Regierung noch auf der internationalen Bühne“.

Im Auswärtigen Amt (AA) gilt Westerwelle vielen Beamten ohnehin als ein Politiker, der militärische Problemstellungen lieber meidet. Manche AA-Mitarbeiter sprechen von einem fast neurotischen Verhältnis des Ministers zur Bundeswehr. So kursiert unter Diplomaten die Geschichte von einer Reise des damals noch unerfahrenen Chefs zu einem Nato- Außenministertreffen. Demnach reagierte Westerwelle ungehalten, als er den Tagesordnungspunkt Raketenabwehr entdeckte. Die Diplomaten konnten den Minister angeblich erst mit der Erklärung besänftigen, die Übernahme der Raketenabwehr als Bündnisaufgabe habe Deutschland Einflussnahme gesichert. Tatsache ist jedenfalls: In seinen etwas mehr als eineinhalb Jahren Amtszeit hat Westerwelle mehr Leidenschaft für Bekenntnisse zur Friedenspolitik und für Versprechen zum nahen Ende des Afghanistan-Einsatzes aufgewandt als für das Werben um die grundsätzliche Notwendigkeit der unpopulären Auslandseinsätze.

Außenpolitiker der Union fürchten, dass Westerwelles Militärskepsis ernste Probleme aufwirft, wenn die nationalen Armeen in EU und Nato künftig weiter verzahnt werden. Dann wollten die Partner wissen, ob sie sich auf Deutschland verlassen können. Die Friedenssignale des Außenministers, so die Befürchtung, „schaffen da nur wenig Vertrauen“.

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