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WHO-Studie: 151 000 Iraker seit US-Invasion umgekommen

Mit dem Einmarsch der US-Truppen in den Irak begann ein großes Sterben. Die meisten Gewaltopfer gibt es in der Hauptstadt Bagdad, wie eine Studie belegt.

Die US-geführte Invasion im Irak hat eine gewaltige Zahl an Menschenleben gekostet: Im Zeitraum von Beginn des Einmarsches im März 2003 bis zum Juni 2006 starben schätzungsweise 151 000 Iraker einen gewaltsamen Tod. Diese Opferzahl nannte die Weltgesundheitsorganisation (WHO) in einer am Mittwoch in Genf veröffentlichten Studie.

Gewalt ist im Irak laut der Untersuchung seit dem Beginn des Krieges eine der häufigsten Todesursachen geworden: Bei Männern in der Altersgruppe von 15 bis 59 Jahren nimmt das gewaltsame Ableben unter den Todesursachen sogar die Spitzenposition ein. Das gefährlichste Pflaster Iraks ist Bagdad: In der Hauptstadt und gleichzeitig größten Stadt des Landes fällt nach den Schätzungen die Hälfte aller gewaltsamen Todesfälle an. Den höchsten Blutzoll entrichteten die Iraker im ersten Jahr nach der Invasion: Im Durchschnitt starben in diesem Zeitraum pro Tag 128 Iraker einen gewaltsamen Tod. Die Gewalt tritt in dem Land in verschiedenen Formen auf: Selbstmordanschläge und Beschuss durch Koalitionstruppen oder Aufständische gehören zu den häufigen Erscheinungen.

Die Studie, die gemeinsam von der WHO und der Regierung des Iraks erstellt wurde, hat jedoch eine Unsicherheitsrate: So könnten im ungünstigsten Fall sogar rund 223 000 Iraker gewaltsam ums Leben gekommen sein. Im günstigsten Fall liegt die Opferzahl bei rund 104 000 Menschen. Die Unsicherheitsrate hat einen Grund: Für Iraks Behörden ist es noch unmöglich, Sterbefälle und Todesursachen systematisch zu registrieren. Deshalb mussten die WHO und die Regierung andere Wege gehen: Für die Studie befragten Interviewer des irakischen Gesundheitsministeriums fast 10 000 Haushalte in allen 18 Regierungsbezirken des Landes. Allerdings konnten die Fragesteller nicht zu allen gewünschten Haushalten gelangen, weil die massiven Sicherheitsrisiken sie daran hinderten. Außerdem sind viele Haushalte auseinandergebrochen, nachdem ein oder mehrere Mitglieder einen gewaltsamen Tod gestorben waren. „Trotzdem, die Ergebnisse der Studie zeigen einen massive Zahl von Todesopfern seit Beginn des Konflikts an“, betonte Iraks Gesundheitsminister Salih Mahdi Motlab al Hasanawi.

Andere Untersuchungen kamen zu anderen Ergebnissen: So schätzen die John- Hopkins-Universität und die Al-Mustansiriya-Universität in Bagdad: Zwischen Beginn der US-geleiteten Invasion im März 2003 und Juni 2006 seien rund 600 000 Iraker gewaltsam umgekommen – die Schätzung basiert auf Befragungen von rund 1800 Haushalten.

Das „Iraq Body Count Project“ hingegen geht von einer deutlich geringeren Zahl aus: Nach den Recherchen des Projekts starben in dem Zeitraum seit der US-Invasion im Irak rund 48 000 Zivilisten einen gewaltsamen Tod. Das „Iraq Body Count Project“ wertete für seine Berechnungen Medienberichte aus. Eine Anfrage des Tagesspiegels bei der US-Mission bei den Vereinten Nationen in Genf zu den Opferzahlen blieb zunächst unbeantwortet.

Jan Dirk Herbermann[Genf]

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