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Politik: Wie ein Fisch auf dem Trockenen

Der neue UN-Generalsekretär hat in New York mit seinen ersten Beschlüssen viele irritiert

Berlin - Bei den UN ist der Honeymoon ausgefallen. Erst einen Monat ist Generalsekretär Ban Ki Moon im Amt. Aber in New York wie in den Mitgliedsländern fragt man sich, wie es der Nachfolger von Kofi Annan in so kurzer Zeit geschafft hat, so viel Aufregung und Befremden auszulösen. Dabei hatte er ungewöhnlich gute Startbedingungen: Fast drei Monate vor Amtsantritt war die Nachfolge geregelt, was vor allem in der obersten UN-Riege die Erwartung weckte, man werde nicht nur „ein geordnetes Haus“ übergeben, sondern all die personalpolitischen Entscheidungen, die ein neuer UN-Chef zu treffen hat, frühzeitig lösen können. Jetzt aber fragen sich viele: Was haben Ban Ki Moon und seine südkoreanischen Berater vor dem 1. Januar eigentlich gemacht?

Am Hudson hat man den Eindruck, dass zwei Kulturen aufeinanderprallen. Ban, der sich in Seoul über den Spitznamen „schlüpfriger Aal“ freute und sein Außenministerium im Alleingang reformierte, hat es jetzt mit 192 Staaten zu tun, mit denen er sich vor Entscheidungen absprechen muss. Doch bei ersten Personal- und Reformbeschlüssen war offensichtlich das Gegenteil der Fall. Dem ersten Fauxpas nach außen, Bans missglückter Aussage, Saddam Hussein hinzurichten sei – sinngemäß – die legitime Entscheidung des Irak gewesen, folgte der erste Missgriff nach innen. Am 4. Januar, freitagabends, ließ er seinen rund 60 wichtigsten Mitarbeitern im Generalsekretariat die Aufforderung zukommen, ihm ihre freiwilligen Rücktrittsschreiben zuzuschicken. Dass Ban seinen eigenen Stab bilde, sei völlig normal, räumt man auch bei den UN ein; ,neuer Wind’ und neue Leute seien sogar gut. Doch die Art und Weise wird, vorsichtig formuliert, als befremdlich empfunden. Niemand weiß, ob er bald noch seinen Posten bekleiden oder die UN ganz verlassen wird. Bisher letztes Missgeschick: Am Mittwoch verkündete Bans Sprecherin Michele Montas, 38 von 58 Mitarbeitern hätten die geforderten Briefe nicht geschickt; später ruderte sie zurück – sie sei falsch informiert worden, nur zwei Briefe seien nicht eingetroffen.

Die Haitianerin selbst ist eine der Neubesetzungen, die Ban bereits vorgenommen hat. Zudem beförderte er Annans frühere Stabschefin, die Mexikanerin Alicia Barcena, zum Untergeneralsekretär für Management, ein Posten, den zuvor der Amerikaner Christopher Burnham innehatte. „Warum sie jetzt Management macht, ist ihr selber nicht ganz klar“, sagt ein westlicher Botschafter. Besonders kritisch beäugt wurde aber Tansanias frühere Außenministerin, Asha-Rose Mtengeti-Migiro, die Ban zur Stellvertreterin machte. Von Migiro war zu hören, dass sie bis kurz vor ihrer Ernennung nichts über die bevorstehende Ehre wusste. Sie ersetzt den Briten Mark Malloch Brown. Vermutlich hätten die Briten den Topdiplomaten John Holmes auch lieber dort platziert. Doch Holmes koordiniert jetzt Ocha, das UN-Hilfswerk. Es heißt, hätte London das gewusst, hätte man jemand anderen ins Rennen geschickt.

Jetzt hat Ban das Problem, dass die westlichen Staaten – auch Deutschland – sehr gespannt darauf warten, inwieweit sie bei der weiteren Postenvergabe berücksichtigt werden. Zudem hat der Generalsekretär aufgrund ebenfalls wenig gelungener Vorbereitung von Strukturreformen jetzt nicht so rasch neue Posten zur Verfügung, die er vergeben wollte. Ban will die Abrüstungsabteilung sich selbst unterstellen, die prestigeträchtige Abteilung für Friedensmissionen aber, die noch der Franzose Jean-Marie Guehenno leitet und die mit mehr als 90 000 Soldaten und Polizisten im Einsatz die wichtigste der UN geworden ist, in zwei Abteilungen splitten. Jedoch ist zum Beispiel das künftige Verhältnis von politischer Einsatzplanung und konkreter Ausführung nicht ganz klar, so dass Diplomaten fürchten, diese Struktur könnte „Sand ins Getriebe“ bringen – der im Blick auf rasche Entscheidungen im Feld den Truppenstellern nicht behagt. Ursprünglich hatten die Amerikaner hier Interesse angemeldet, jetzt wird spekuliert, ob der US-Botschafter in Djakarta, Lynn Bascoe, die Leitung der politischen Abteilung übernehmen wird.

Am Montag wird Ban der Generalversammlung über seine Strukturpläne Rede und Antwort stehen. Es war wohl geplant, diese dann absegnen zu lassen. Inzwischen gibt es so viel Klärungsbedarf, dass dies eher unwahrscheinlich ist.

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