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Eine Solaranlage in Soroti/Uganda, etwa 300 Kilometer nordöstlich von der Hauptstadt in Kampala.

© Isaac Kasamani/AFP

Exklusiv

African Progress Panel: Wie Solarstrom Afrika erleuchten könnte

Ein Beraterkreis um Kofi Annan wirbt mit dem neuen Bericht für Sonnenstrom ohne Netzanbindung, um die 620 Millionen Energiearmen Afrikas zu versorgen.

620 Millionen Afrikaner können nicht warten, bis die Stromnetze des Kontinent gebaut sind. Das sagt Kofi Annan. Der frühere Generalsekretär der Vereinten Nationen stellt an diesem Montag in der Hauptstadt der Elfenbeinküste, Abidjan, den neuen Bericht des „African Progress Panels“ (Afrikanisches Fortschritts Panel) vor, dessen Vorsitzender er ist. Die Kernbotschaft des Berichts, der dem Tagesspiegel vorliegt, lautet: Wer Afrika elektrifizieren will, muss das mit Solarenergie tun, unabhängig von den großen Verteilnetzen, manchmal aber in unabhängigen kleinen Regionalnetzen, sogenannten Mini-Grids.

Die Autoren machen einen Dreischritt: Die erste Stufe der Stromversorgung ist aus ihrer Sicht der Zugang zu solarem Licht. Es sei für die Armen auf dem Land wie der Stadt viel billiger, eine Solarlampe zu betreiben, als weiterhin bis zu 186 Dollar im Jahr für Kerzen, rußende Kerosinlampen oder batteriebetriebene Taschenlampen auszugeben. Diese Summe geben die Menschen in Mauretanien aus, um abends noch Licht zu haben. In Äthiopien sind es immer noch 72 Dollar im Jahr. Die Äthiopier zahlen damit im Schnitt den niedrigsten Betrag.

Eine Solarlampe kostet inzwischen unter fünf Dollar und ist damit auch für die Armen erschwinglich geworden. Vor allem, weil sie lange hält und nicht dauernd wieder neu beschafft werden muss. In der Elfenbeinküste hat die Regierung im großen Stil Solarrucksäcke an Schülerinnen und Schüler vertrieben, die auf dem Schulweg und über den Tag Solarlampen laden, damit die Kinder ihre Hausaufgaben mit modernem Licht machen können.

Der frühere UN-Generalsekretär Kofi Annan wirbt darum, nicht darauf zu warten, dass die Stromnetze voll ausgebaut sind.

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Als zweite Stufe identifizieren die Autoren die Versorgung von Häusern mit netzunabhängigen Solaranlagen. Diese ermöglichen den Betrieb von zwei bis drei Lampen, einem Radio und einem kleinen Fernseher. Der Preis für solche Solaranlagen ist zwischen 2009 und 2016 von 1000 auf 354 Dollar gesunken, bis 2020 erwarten die Autoren einen Preis von 200 Dollar.

Mit Hilfe von Finanzierungsmodellen, die direkt oft über ein Mobiltelefon abgerechnet werden können und die Systeme über ein Ratenzahlmodell erschwinglich machen, verbreiten sich diese Systeme schnell. Der Bericht nennt das Beispiel Ruanda, wo ein entsprechendes Programm Hunderte Haushalte täglich auf diese Weise mit Strom versorgt. Oder das Berliner Unternehmen Mobisol, das vor allem in Tansania Tausende solcher Systeme verkauft hat.

Die dritte Stufe wäre der Aufbau von Mini-Grids, die beispielsweise den Betrieb von Solar-Pumpen zur Bewässerung von Feldern, von Melkmaschinen oder Wärmelampen in der Hühnerzucht betreiben können. Auch für die Trocknung von Getreide zur besseren Lagerung wäre genug Strom vorhanden.

Es fehlt ein Geschäftsmodell für Mini-Grids

Allerdings gibt es offenbar noch keine Geschäftsmodelle für Mini-Netze, die auf der Hand liegen. Private Unternehmen sehen kein Geschäftsmodell, möglich wäre eine genossenschaftliche Finanzierung der Gemeinden selbst, doch denen fehlt oft das technische Know-How, um die Netze dann auch sicher zu betreiben. Zwar könnten Stromanbieter solche Netze betreiben. Allerdings sind die Erfahrungen in vielen afrikanischen Ländern mit den Stromversorgern katastrophal. In Togo beispielsweise verliert die staatliche Elektrizitätsgesellschaft fast 80 Prozent des erzeugten Stroms auf dem Weg zu den Kunden, die sich nicht auf eine zuverlässige Stromversorgung einrichten können.

Die Verluste sind zum einen technischer Natur. Bis zu zehn Prozent des Stroms gehen einfach durch den Transport verloren, das ist auch in Industrieländern so. Aber dann beginnen die Unterschiede: Überall in Afrika haben die Stromversorger hohe Verluste durch Diebstahl. Das reicht von rund 20 Prozent in Südafrika bis zu knapp 70 Prozent in Swaziland. Dabei haben die Autoren festgestellt, dass der Diebstahl durch Arme, die sich den Strom nicht leisten können, den kleinsten Anteil ausmacht. Sogar Regierungsinstitutionen bis hin zum Militär zapfen  Strom im großen Stil ab, ohne zu bezahlen.

Ohne Regulierungsrahmen kein grenzüberschreitender Handel

Die dritte Stufe wäre eine regionale, transnationale Vernetzung und ein entsprechend grenzüberschreitender Handel mit Strom. Zwar sind Interkonnektoren zwischen verschiedenen Ländern im Bau, und es gibt auch Pläne für drei große Stromleitungen aus dem Norden in den Süden, an deren Umsetzung die Internationale Erneuerbare Energien Agentur (Irena) intensiv arbeitet. Doch noch fehlt es teilweise an der Finanzierung auch durch Geber. Noch mehr fehlt es aber an einem stabilen Regulierungs- und Tarifrahmen, den die afrikanischen Regierungen dringend erarbeiten sollten, fordert Annan. 

Annan und sein Progress Panel waren sehr erfolgreich

Mit dem Bericht „Lights Power Action. Electrifying Africa“ (Licht Strom Aktion: Elektrifizierung Afrikas) baut das zehnköpfige Gremium auf seinem Bericht von 2015 auf. Damals hatten Annan und seine Mitstreiter, unter ihnen der Gründer von Transparency International Peter Eigen aus Berlin, dafür geworben, Investitionsmittel aufzubringen, um die Versorgung Afrikas mit moderner Energie zu ermöglichen.

Politisch war das überaus erfolgreich. Denn der Bericht trug wesentlich dazu bei, dass das Ziel Nummer sieben der globalen Nachhaltigkeitsziele nun lautet: Saubere und bezahlbare Energie für alle bis 2030. Vor allem Deutschland hat eine führende Rolle bei der Finanzierung eingenommen. Beim Pariser Klimagipfel kündigte Deutschland an, zehn Milliarden Euro in die Energieversorgung in Afrika investieren zu wollen. Weitere Geber haben die Summe inzwischen verdoppelt. Nur angekommen sei auf dem Kontinent noch so gut wie nichts, moniert Kofi Annan in seinem Vorwort zum aktuellen Bericht. Wenn das Geld 2017 nicht fließe, könnten einige Regierungen den Mut verlieren, weiter auf eine erneuerbare Stromversorgung zu setzen, warnt er.

Kohle spielt (noch) kaum eine Rolle

Dass die Kohle bei der Stromerzeugung in Afrika bisher eine untergeordnete Rolle spielt, finden die Autoren gut. Und sie raten afrikanischen Regierungen, das auch weiterhin so zu halten. Mit Ausnahme von Südafrika, dessen Stromerzeugung zu 80 Prozent an der Kohle hängt, und das einer der größten Kohleexporteure der Welt ist, gibt es auch kaum Probleme, die Kohle zu ersetzen, beispielsweise in Simbabwe. Allerdings wollen Marokko, Nigeria und Kenia neue Kohlekraftwerke bauen. Kenia plant gegen großen lokalen Widerstand ein Kohlekraftwerk direkt gegenüber der Insel Lamu, einem Weltkulturerbe - noch.

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