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Politik: „Wie soll man sich da noch vertrauen?“

Die Grünen wollen von der SPD nicht zum Sündenbock für das Ende der Koalition gemacht werden

Von Hans Monath

Berlin - Es klang wie eine Routineerklärung des Regierungssprechers zum Steuerrecht – und könnte sich doch zum Sprengsatz für die ohnehin in Abwicklung befindliche rot-grüne Bundesregierung entwickeln. Als Bela Anda am Freitagmittag vor der Presse die Verwunderung des Kanzlers über kritische Töne der Grünen zur Finanzierung der Unternehmensteuersenkung erklärte, brachte Schröders Mann einen Konflikt ans Tageslicht, bei dem sich SPD und Grüne seit der Mitte der Woche belauert hatten.

Die Gescholtenen waren zwar darauf gefasst gewesen, dass von der SPD ein Angriff kommen würde. In der hektischen Anspannung der Woche nach dem Neuwahl-Coup des Kanzlers fühlten sich die Grünen dann aber empfindlich herausgefordert. Offiziell sprach Außenminister Joschka Fischer zwar beschwichtigend von einer „Aufgeregtheit“. In Wirklichkeit weiß auch der Vizekanzler, dass es um mehr geht. „Sie suchen seit Tagen nach einem inhaltlichen Grund, der den Grünen die Verantwortung für das Scheitern dieser Regierung zuschiebt“, sagt ein Grünen-Stratege über die SPD-Seite.

Der kleine Koalitionspartner nämlich sieht sich in die Rolle des Sündenbocks gedrängt. Nach seiner Lesart wollen die Sozialdemokraten nicht als Schuldige für das Ende der Koalition in die Wahl gehen, weil rot-grüne Wechselwähler diese Aufkündigung missbilligen und zu den Grünen abwandern könnten.

Zudem argwöhnt die grüne Führungsriege, Schröder wolle den drohenden Verfassungskonflikt mit Bundespräsident Horst Köhler umgehen. Als erstaunlich schlecht vorbereitet gilt Schröders Auflösungscoup beim kleinen Partner. Weil immer mehr linke Sozialdemokraten Schröder die Treue versichern, werde es für den Kanzler schwer, Köhler einen überzeugenden Grund für den dauerhaften Wegfall der Vertrauensgrundlage zu präsentieren. „Sie haben bislang kein technisches Mittel gefunden, um Neuwahlen auf einem verfassungsrechtlich unstrittigen Weg herbeizuführen“, heißt es bei den Grünen. „Brandgefährlich“ sei deshalb der Versuch der SPD, das Problem beim kleinen Partner abzuladen.

Die wichtigsten Strategen bei den Grünen wollen bislang keinen Rückzug der eigenen Minister. Doch gibt es erste Stimmen, die genau diese Option für die beste Wahlkampfvorbereitung halten. Auch spüren die Akteure, dass in der angespannten Lage eine finale Krise möglich ist. „Jetzt kann jede Situation zum Chaos führen“, sagt ein Grüner. Festlegungen wie die zum Verbleib in der Koalition hätten unter dem Druck der Ereignisse nur eine kurze Halbwertszeit. Einzelne Politiker bemühen sich dennoch um Entspannung der Lage. Keiner habe ein Interesse an Eskalation, versichert SPD-Fraktionsvize Ludwig Stiegler. Die rot-grüne Ehe in Berlin befinde sich nun einmal „im Stadium der Entromantisierung der Flitterwochen“.

Die Grünen aber sind getroffen. Der SPD werfen sie vor, ihre Finanzpolitikerin Christine Scheel falsch zitiert zu haben. Empört sind sie auch über den angeblichen Bruch der Verschwiegenheit nach einem Gespräch von SPD-Fraktionschef Franz Müntefering mit seiner grünen Kollegin Krista Sager zur Steuerfrage: „Wie soll man sich da noch vertrauen?“

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