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Programm vorgestellt: Wie will die Bundesregierung Integration fördern?

Ganz Deutschland spricht wegen des Bundesbankers Thilo Sarrazin über Integration. Jetzt hat die Bundesregierung ein Integrationsprogramm vorgestellt. Was sieht es vor?

Er musste es tun: Das Aufenthaltsgesetz verpflichtet den Innenminister zu einem „bundesweiten Integrationsprogramm, in dem insbesondere die bestehenden Integrationsangebote festgehalten und Empfehlungen zur Weiterentwicklung der Integrationsangebote vorgelegt werden“, wie es in Paragraf 45 heißt. Der Text, der am Mittwoch vorgestellt wurde, ist insofern kein neuer Masterplan für die Einwanderungsgesellschaft, wie der Titel suggeriert, sondern vor allem eine Bestandsaufnahme; seine Empfehlungen binden niemanden: „Angesichts der bundesweit sehr unterschiedlichen Gegebenheiten“, heißt es denn auch darin, könne man „nur Vorschläge“ machen.

Innenminister Thomas de Maizière nannte den Bericht bei der Vorstellung, ohne den Namen Sarrazin zu erwähnen, „einen Beitrag zur Sachlichkeit in der öffentlichen Debatte um Integration“. Dass man ihn jetzt der Öffentlichkeit präsentiere, liege einfach daran, dass er gerade fertig sei. Tatsächlich geriet die Pressekonferenz am Mittwoch dann doch weitgehend zu einer Art Kommentar zu Sarrazins Thesen über Islam, angeblich bildungsferne, staatsfeindliche Muslime und die drohende „Übernahme“ Deutschlands durch „enorm fruchtbare“ Migranten. Integrationsunwillig, so de Maizière, seien etwa zehn bis 15 Prozent der Migranten,darunter aber auch Spätaussiedler. Albert Schmid, Chef des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge (BAMF), das das „Integrationsprogramm“ für den Innenminister formulierte, warf Sarrazin unseriöse Prognosen vor: „Niemand geht in der Demografie über 2060 hinaus“. Für die Zahl der Muslime, die Sarrazin auf sechs bis sieben Millionen ansetze, gebe es keine Belege. Schmids Amt kommt auf 3,8 bis 4,2 Millionen.

Auch eine verbreitete Feindselig- oder Gleichgültigkeit gegen Deutschland sieht Schmid nicht: Die Hälfte der Muslime engagiere sich in deutschen Vereinen, Parteien, Gewerkschaften. Die CDU-Politikerin Rita Süssmuth, die bis 2001 die von Rot-Grün berufene Zuwanderungskommission leitete, liest auch aus dem Andrang zu den Integrationskursen Integrationswillen: „Die Nachfrage ist größer als die finanziellen Möglichkeiten“, sagte sie dem Tagesspiegel, und weit über 60 Prozent der Teilnehmer seien Frauen. Weil 15 Millionen Euro fehlten, müsse man seit Juli Bewerber auf später vertrösten.

Als wichtigste Handlungsfelder der Integration nennt der Bericht – nicht überraschend – wieder Bildung und Sprache. BAMF-Chef Schmid plädierte dafür, Deutsch weiter auf relativ hohem Niveau als „Bildungssprache“ zu vermitteln. Viele Kinder scheiterten in der Schule oft nicht an Fächern, sondern an der Sprache, die sie für sie brauchten, heißt es im Text, der auffallend darauf setzt, die Migranten selbst einzubeziehen – sei es durch Bildung der Eltern dieser Kinder, sei es durch Lehrkräfte mit ausländischen Wurzeln. Derzeit machen sie nur 1,2 Prozent der deutschen Pädagogen aus und sind auch im Lehramtsstudium, anders als unter Ingenieuren, Ärzten, Betriebswirten, weit unterdurchschnittlich vertreten. Empfohlen wird hier mehr Werbung für den Beruf in den Migrantencommunities und die „interkulturelle Öffnung der Lehrerschaft“.

Wenige Stunden, bevor de Maizière und Schmid ihr 200-Seiten-Programm vorstellten, hatte die Opposition die bisher heftigsten Angriffe auf die Beauftragte der Bundesregierung für Migration, Flüchtlinge und Integration gefahren. Staatsministerin Maria Böhmer (CDU) sei eine „Fehlbesetzung“, „Frühstücksdirektorin“, „Grüßtante“ (SPD), „eine Schauspielerin, die große Ankündigungen macht, tatsächlich aber nichts bewegt“ (Grüne). Der Vorwurf, Böhmer verstehe sich anders als alle ihre Vorgängerinnen nicht als Anwältin der Migranten, sondern als Transmissionsriemen von Regierungsabsichten, ist nicht neu. De Maizières Programm-Veröffentlichung am Mittwoch gibt aber erneut Hinweise darauf, dass praktische Politik nach wie vor in seinem Hause gemacht wird. Im Text selbst wird der „Nationale Integrationsplan“, den Böhmer mit der Kanzlerin vor drei Jahren präsentierte, als Vorarbeit geführt, an die „angeknüpft werden“ konnte. Warum Böhmer nicht dabei sei, wollte am Mittwoch ein Journalist wissen. De Maizières knappe Antwort: Weil sie in Kanada sei.

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