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Die Ampel-Reform wird den Bundestag verändern.

© dpa/Photothek/Florian Gaertner

Wie wirkt das Ampel-Wahlrecht?: Zwei Berliner Wahlkreise wären 2021 ohne Vertretung geblieben

Weniger gekappte Direktmandate, der Bundestag ohne Linke – und ohne Treptow-Köpenick und Lichtenberg. Eine Exklusivsimulation zeigt die Folgen der geplanten Wahlrechtsreform.

Hätte die Wahlrechtsreform der Ampel-Koalition, die schon am Freitag im Bundestag verabschiedet werden soll, bereits zur Bundestagswahl 2021 gegolten, dann hätten fünf Wahlkreise keine Vertretung im Bundestag gehabt.

In insgesamt 24 Wahlkreisen wäre den Erstplatzierten ihr Direktmandat nicht zugeteilt worden - wegen der neuen Regelung, dass diese Mandate einer Zweitstimmendeckung unterliegen müssen. Das ergibt eine Berechnung des Hamburger Wahlinformationsdienstes „election.de“ für den Tagesspiegel.

Zu den komplett verwaisten Wahlkreisen hätten auch zwei in Berlin gehört. In Treptow-Köpenick hatte Gregor Gysi das Direktmandat gewonnen, in Lichtenberg war es Gesine Lötzsch. Da aber die Linke, der beide angehören, nach dem neuen Ampel-Entwurf nicht in den Bundestag gekommen wäre, wären Gysi und Lötzsch an der Sitzverteilung erst gar nicht mehr beteiligt gewesen. Zudem wäre ein Linken-Direktmandat in Leipzig verfallen. Somit wären also alles in allem 27 Wahlkreise ohne Direktmandat geblieben.

Nach dem geltenden Wahlrecht (und auch nach dem ersten Ampel-Entwurf vom Januar) wären die Linken-Politiker im Bundestag gewesen. Doch nach dem Änderungsantrag, der am Dienstag den Ampel-Fraktionen vorlag, ist die sogenannte Grundmandatsklausel nicht mehr vorgesehen.

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Nach der konnte eine Partei auch in den Bundestag kommen, wenn sie wegen zu wenig Zweitstimmen an der Fünf-Prozent-Hürde scheitert, aber (über die Erststimmen in den Wahlkreisen) mindestens drei Direktmandate errungen hat. Die Linke lag 2021 bei 4,9 Prozent der Zweitstimmen, gewann aber neben den beiden Berliner Wahlkreisen auch einen Leipziger Wahlkreis.

Treptow-Köpenick und Lichtenberg hätten zu den fünf Wahlkreisen ganz ohne Abgeordnete gehört, weil dort keine weiteren Direktkandidaten über die jeweiligen Landeslisten ihrer Parteien in den Bundestag gekommen wären.  Die drei weiteren „verwaisten“ Wahlkreise wären Märkisch-Oderland/Barnim II, Leipzig-Land und Bruchsal-Schwetzingen gewesen.

Nie mehr über 700 Sitze

Das Problem der Nicht-Vertretung von Wahlkreisen ist quasi eine Systemeigenschaft des Ampel-Modells. Mit der Reform soll die starke Vergrößerung des Bundestags durch Überhang- und Ausgleichsmandate verhindert werden, die 2017 und 2021 zu Parlamentsgrößen von mehr als 700 Sitzen geführt hatten.

Kommt es zu Überhängen in einem Bundesland, werden die Direktmandate mit den schwächsten Prozentresultaten nicht zugeteilt. Überhänge entstehen, wenn der Sitzanspruch einer Partei durch das Zweitstimmenergebnis geringer ist als die Zahl der Direktmandate, die über die Erststimmen errungen werden.

Warum nun 630 Sitze?

Durch die Erhöhung auf 630 Sitze (im ersten Entwurf stand noch die bisherige „Normalgröße“ von 598 Abgeordneten) will die Ampel-Koalition das Problem der verwaisten oder nicht durch die Wahlkreisbesten vertretenen Wahlkreise abmildern. Nach dem ersten Entwurf hätte es 35 solcher Wahlkreise gegeben. Mit der Änderung auf 630 Sitze wären es 2021 nur noch 24 gewesen – doch kommen nunmehr die drei Linken-Wahlkreise hinzu, sodass 27 Wahlkreise in die Kategorie fallen.

27
Wahlkreise ohne Direktmandat

Mit dem Ampel-Entwurf wird die Verhältniswahl gestärkt – zulasten der Wahl in den Wahlkreisen, die grundsätzlich weiterhin nach den Regeln der relativen Mehrheitswahl durchgeführt wird. Doch gibt es die Direktmandatsgarantie nicht mehr, die klassischerweise ein Kernmerkmal der Mehrheitswahl ist.

Zu den Kritikern der Reform im Ampel-Lager hatten einige SPD-Abgeordnete gehört, darunter Erik von Malottki aus Mecklenburg-Vorpommern und die Brandenburger Landesgruppe. Malottki bekäme auch durch die kurzfristige Änderung sein Direktmandat im Osten des Landes nicht zugeteilt. In Brandenburg hätten nun in drei statt vier Wahlkreisen die SPD-Direktbewerber das Nachsehen gehabt. Insgesamt verringert sich mit der Korrektur die Zahl der „gekappten“ SPD-Direktmandate von elf auf sechs.

Kaum Verbesserung für die Union

In Baden-Württemberg hätten 2021 nach dem ursprünglichen Ampel-Plan mit 598 Sitzen zwölf Bewerber und Bewerberinnen der CDU auf ihr Direktmandat verzichten müssen. Sie hätten auch keine Chance durch gute Listenplätze gehabt, denn eine Landesliste zieht bei Überhangsituation nicht. Mit der Erhöhung der Gesamtsitzzahl auf 630 verringert sich die Zahl der „Gekappten“ in Baden-Württemberg auf zehn.

In Bayern hätte die CSU im Jahr 2021 nach dem ersten Ampel-Entwurf auf elf Direktmandate verzichten müssen. Durch die Korrektur wären es sieben.

Eine Rolle bei dieser Abmilderung spielt allerdings das Ausscheiden der Linken durch das Fehlen der Grundmandatsklausel. Denn die Gesamtsitzzahl von 630 wäre dann nur noch an fünf Fraktionen verteilt worden, was zu mehr Mandaten und damit auch zu mehr Zuteilungen von Direktmandaten führt.

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