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Politik: Wieder da

Die Minderheitsregierung in Prag wird von den Kommunisten gestützt

Tschechiens sozialdemokratische Regierung hat am Freitag ein Misstrauensvotum überstanden – dank der Duldung der Kommunisten. Es war eine fast impulsive Rede, die Ministerpräsident Stanislav Gross am Freitag vor dem Parlament hielt. „Ich möchte die Regierung weiter führen“, sagte er, „ich will nicht von einer begonnenen Arbeit fliehen. Die Tschechische Republik ist ein Champion, der seine Konkurrenten in der Region besiegt hat, und das meine ich ernst.“

Es klang ein bisschen wie eine Wahlkampfrede, und im Grunde war es das auch. Denn im Anschluss an Gross’ Auftritt musste die Regierung einen Misstrauensantrag der bürgerlichen Oppositionspartei ODS überstehen, die die Regierung ablösen und Neuwahlen provozieren wollte. Dem Antrag schlossen sich aber nur 78 der 200 Abgeordneten an, zur Abwahl wären mindestens 101 notwendig gewesen. Überraschenderweise hatten sich die oppositionellen Kommunisten (KSCM) auf die Seite der Regierung gestellt und durch ihre Enthaltung den ODS-Antrag scheitern lassen.

Fürs Erste scheint Gross die Regierungskrise ausgestanden zu haben, in die seine Partei geschlittert ist. Erst am Mittwoch war einer seiner beiden Koalitionspartner abgesprungen – die gemäßigte Zentrumspartei der Christlich-Sozialen hatte ihre Minister aus dem Kabinett abgezogen. Aus Protest gegen Gross, der in mehrere Skandale verwickelt ist. Der soll laut Presseberichten für eine Wohnung in Prag 1999 rund 140000 Euro aus unklaren Quellen gezahlt haben. Der 35-Jährige hat die Herkunft des Geldes bislang nicht erklärt. Auch die geschäftlichen Aktivitäten seiner Ehefrau stehen in der Kritik.

Zusammen mit der Liberalen Partei verfügen die regierenden Sozialdemokraten nur noch über 80 Abgeordnete. Die Koalition muss sich bis zur nächsten planmäßigen Wahl im kommenden Juni auf eine Duldung durch die KSCM verlassen, die Gross’ Minderheitskabinett stützen will.

Für den wird nun die Frage sein, welchen Preis er für diese Duldung zu zahlen hat. Große Reformen hat die neue Minderheitsregierung bis zur kommenden Wahl zwar nicht mehr vor, dennoch kündigte der Premier an, sich künftig stärker um Menschen mit niedrigen Einkommen zu kümmern. Fraglich ist auch, wie seine eigene Partei auf die Allianz mit den Kommunisten regiert, die nun indirekt zum ersten Mal seit 1989 Einfluss auf eine tschechische Regierung haben. Mehrere sozialdemokratische Minister hatten angedeutet, dass sie im Falle einer Kooperation lieber ihre Posten räumen würden.

Markus Huber[Wien]

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