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Wiedervereinigung: Aufbau West

Das Wirtschaftswachstum ist den Ostdeutschen mit zu verdanken – sagt der Kanzleramtsminister. Was hat der Solidarpakt geleistet?

Von Matthias Schlegel

Die Bundesregierung hält am Solidarpakt II, der finanziellen Grundlage des Aufbaus Ost, ohne Abstriche fest. Dass Kanzleramtsminister Thomas de Maizière (CDU) am Vorabend des Tages der Deutschen Einheit eine solche Botschaft aussandte, mag man als amtsgemäße Pflichtübung ansehen. Schließlich ist der bis 2019 ausgelegte und von nun an jährlich schwächer werdende Finanztransfer in die neuen Bundesländer seit der Föderalismusreform im Grundgesetz verankert.

Es könnte aber auch sein, dass de Maizière ahnte, dass die Diskussion über die Ostförderung pünktlich zum 17. Jahrestag der Wiedervereinigung wieder entbrennen würde. Auf dem Festakt der Konrad-Adenauer-Stiftung am Dienstag in der Berliner Kulturbrauerei wehrte der Mann, der seit der Wiedervereinigung 1990 in verschiedensten Positionen in Schwerin, Dresden und in der Hauptstadt den Aufbau Ost entscheidend mitorganisierte, auch populäre Forderungen ab, wie sie auch seine eigenen Parteifreunde stellen. Es sei „zu früh“, den Solidaritätszuschlag zu senken oder gar abzuschaffen. Die finanziellen Lasten der deutschen Einheit seien für den Bundeshaushalt noch lange nicht bewältigt. Und: Er halte auch wenig von den Vorstellungen, Teile des Solidaritätszuschlags für den Altschuldenabbau der Bundesländer einzusetzen, „Warum sollte auch der Bund die Länder entschulden?“

Die Einheit lasse sich nicht aus der Portokasse bezahlen. Doch es greife viel zu kurz, in der deutschen Einheit den Grund für die in den vergangenen Jahren sichtbar gewordenen Strukturschwächen von Wirtschaft und Sozialsystemen zu sehen. Den Herausforderungen der Globalisierung hätte sich die alte Bundesrepublik auch ohne Wiedervereinigung stellen müssen. Zumal einige, für den Osten sehr schmerzhafte Effekte der Einheit, dem Westen zugute kämen: So werde dort der demografische Wandel durch Zuzüge aus Ostdeutschland abgemildert. Gut ausgebildete Arbeitskräfte aus dem Osten unterstützten das Wirtschaftswachstum im Westen. Schließlich habe auch die – durch die Transferzahlungen gestützte – Nachfrage aus Ostdeutschland die Wirtschaft im Westen belebt. Gleichwohl sieht der Kanzleramtsminister nicht in der Gleichheit der Lebensverhältnisse in ganz Deutschland das Ziel. „Unser Ziel sollten gleichwertige Lebensverhältnisse sein“ – immer der Region angepasst. „In Teilen Mecklenburg-Vorpommerns ist die Bevölkerungsdichte fast auf finnischem Niveau. Und in der Lausitz leben noch immer mehr Erwerbswillige, als je Arbeitsplätze entstehen werden.“ De Maizière fügte hinzu, dass auch die Lebensverhältnisse im bayerischen Voralpenland immer andere waren als die im Bayerischen Wald oder in Münden. „Ich finde das normal.“

In seiner Analyse des Vereinigungsprozesses erinnerte de Maizière an den Ausgangspunkt 1989: Eine wirtschaftlich desolate DDR – allein das Stoppen der Verschuldung hätte erfordert, den Lebensstandard der Bevölkerung um 25 bis 30 Prozent zu senken, was die DDR unregierbar gemacht hätte. Zu diesem Ergebnis waren hochrangige Wirtschaftsfunktionäre der DDR selbst gekommen. Dass es in den Schubladen der Bonner Ministerien keine Konzepte für einen Vereinigungsprozess gab, ist aus Sicht des CDU-Politikers „eigentlich ein politischer und intellektueller Offenbarungseid“ gewesen.

Bis heute wirken nach Überzeugung de Maizières die strukturellen Unterschiede zwischen Ost und West nach, die sich in 40 Jahren der Trennung herausgebildet hatten. Als im Zuge der Wirtschafts- und Währungsunion der Preis zum Maßstab der Wettbewerbsfähigkeit wurde und die Währung von einem auf den anderen Tag um 40 Prozent aufgewertet wurde, konnte die DDR-Wirtschaft nicht mithalten. Die Folgen sind bekannt: Ganze Industrien brachen weg, noch immer ist die Arbeitslosigkeit im Osten doppelt so hoch wie im Westen.

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