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„Befreit Assange“ steht auf dem Plakat vor Ecuadors Botschaft.

© dapd

Julian Assange: Wikileaks-Chef setzt auf Südamerika

Alle stehen geschlossen hinter Ecuador: Der Fall Assange schmiedet die Länder Lateinamerikas gegen den Nachbarn USA zusammen. Eine Lösung des Konfliktes könnte noch lange auf sich warten lassen.

Mehr als sechs Wochen harrt Julian Assange bereits in der ecuadorianischen Botschaft aus. Zeit, die die Regierungschefs Lateinamerikas genutzt haben, um sich hinter den Kulissen auf eine gemeinsame Linie in diesem Konflikt zu verständigen. Während Großbritannien damit beschäftigt war, sich und die Olympischen Spiele zu feiern, liefen hinter den Kulissen zwischen Quito und den anderen lateinamerikanischen Städten die Drähte heiß. Lateinamerika steht in der Asylentscheidung für den Wikileaks-Gründer geschlossen hinter Ecuador.

Der lateinamerikanische Staatenbund Alba, den links regierte Ländern wie Venezuela oder Ecuador dominieren, erklärte Ecuador demonstrativ seine Rückendeckung und warnte am Wochenende vor ernsten Konsequenzen, sollte London den exterritorialen Status der ecuadorianischen Botschaft in London nicht respektieren. Aber auch konservative Regierungen wie Kolumbien und das zuletzt wegen des Staatsstreiches politisch isolierte Honduras sympathisieren mit Ecuador.

Das macht es für Großbritannien und die USA schwer, einen Lösungsansatz zu finden. Die Zeitung „La Razon“ spekuliert sogar, Correa, Assange und sein Anwalt Garzón hätten das Szenario eines „WikiKriegs“ bereits seit Wochen geplant. Das Selbstbewusstsein Lateinamerikas deutete sich bereits beim jüngsten Amerika-Gipfel im kolumbianischen Cartagena an, den Ecuadors Staatspräsident Rafael Correa publikumswirksam boykottierte, weil er sich von den USA nicht länger die Tagesordnung diktieren lassen wollte. US-Präsident Barack Obama weigerte sich, das Kuba-Embargo und den argentinisch-britischen Konflikt um die Falkland-Inseln zu diskutieren. Auch die Unzufriedenheit mit der US-Drogenpolitik ist quer durch alle politischen Lager Lateinamerikas gewachsen. Als die lateinamerikanischen Politiker abreisten, erklärten sie trotzig, dies sei der letzte Amerika-Gipfel ohne Kuba gewesen. Im vergangenen Jahr wies Ecuador die US-Botschafterin Heather Hodges aus, weil sie einem führenden ecuadorianischen Polizeigeneral Korruption vorwarf. Pikanterweise veröffentlichte WikiLeaks die geheimen Dokumente. Correa reagierte wütend, zumal die USA keine Beweise vorlegen konnten.

Video: Tauziehen um Assange

Der Fall Assange wendet nun das Blatt zugunsten Quitos. Lateinamerika ist nicht mehr wie in den Fällen Kuba, Argentinien oder in der Drogenfrage Bittsteller. Vor allem Argentinien, das wegen der Falkland-Inseln in einer politischen Dauerfehde mit Großbritannien steckt, stärkt Ecuador den Rücken. Ecuador sucht derweil die Unterstützung internationaler Institutionen wie der Organisation Amerikanischer Staaten (OAU). Sogar ein Gang vor den Internationalen Strafgerichtshof schließt das Land nicht mehr aus. Es pocht dabei auf seine nationale Unabhängigkeit und das Recht, Asyl zu gewähren. Ankündigungen aus London, Assange möglicherweise am Verlassen der Botschaft zu hindern, wertet Correa als einen Angriff auf die Souveränität seiner Regierung: „Niemals, solange ich Präsident bin, wird Ecuador Drohungen dieser unerträglichen, rücksichtslosen und unverschämten Art wie sie Großbritannien in dieser Woche präsentiert hat, akzeptieren.“ Wütende Demonstranten halten vor der britischen Botschaft in Quito Schilder mit vielsagenden Texten in die Höhe: „Wir sind keine Kolonie mehr.“

Video: Diplomatischer Streit um Assange

Eine Lösung des Konfliktes könnte noch lange auf sich warten lassen. Correa deutete an, Assange könne noch lange in der Botschaft ausharren, wenn dies nötig sei. Die Zeitung „El Comercio“ berichtete unterdessen, britische Diplomaten hätten mit hochrangigen ecuadorianischen Amtskollegen bereits Gespräche aufgenommen, um einen Ausweg aus der Sackgasse zu finden. Assanges Anwalt Baltazar Garzón erklärte, Assange sei unter gewissen Umständen bereit, sich der Justiz zu stellen. Der Wikileaks-Gründer erwartet offenbar eine Garantie, nicht an ein drittes Land ausgeliefert zu werden. Die USA halten sich derweil zurück. Aus Washington war am Wochenende zu vernehmen, der Fall Assange sei zunächst einmal eine Angelegenheit zwischen Großbritannien und Ecuador.

Julian Assange selbst ist nach Angaben seines rechtlichen Beraters in „Kampfstimmung“ und hat sein Anwaltsteam mit weiteren juristischen Schritten beauftragt; man schließe auch nicht aus, den Internationalen Gerichtshof anzurufen, sagte der frühere spanische Richter Baltasar Garzón am Sonntag vor der ecuadorianischen Botschaft in London. Kurz danach zeigte sich Assange erstmals seit seiner spektakulären Flucht in die ecuadorianische Botschaft in London vor zwei Monaten in der Öffentlichkeit. Als er auf einem Balkon der Botschaft erschien, bedankte sich Assange bei Ecuadors Präsident Rafael Correa für den „Mut, den er gezeigt hat“, als sein Land ihm politisches Asyl gewährte. Der 41-jährige Wikileaks-Chef forderte die USA auf, ihre „Hexenjagd“ gegen seine Organisation zu beenden. Tobias Käufer (mit dapd/dpa)

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