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Politik: Wilders’ Wiederauferstehung

Der fremdenfeindliche Populist ist der heimliche Sieger der Wahl in den Niederlanden – und darf vermutlich mitregieren

Nach den Parlamentswahlen am Mittwoch stehen die Parteien in den Niederlanden vor schwierigen Koalitionsverhandlungen. Zehn Parteien schafften den Einzug ins Haager Parlament, entsprechend viele Kombinationen sind möglich.

Die rechtsliberale Partei VVD konnte sich mit nur einem Sitz Vorsprung schließlich gegen die Sozialdemokraten durchsetzen. Die VVD verfügt demnach über 31, die Sozialdemokraten verfügen über 30 von insgesamt 150 Sitzen im niederländischen Parlament. Es ist das erste Mal seit 1913, dass die Rechtsliberalen die stärkste Kraft sind. „Es ist eine enorme Verpflichtung. Wir werden diesen Auftrag sehr ernst nehmen und alles tun, um das Vertrauen, das uns die Wähler entgegengebracht haben, nicht zu enttäuschen“, sagte der bisherige Fraktionsvorsitzende und Spitzenkandidat der VVD, Mark Rutte. Ihm obliegt es nun, eine mögliche Koalition zu bilden. Dafür wartet er nur noch auf den offiziellen Auftrag der niederländischen Königin Beatrix. Sie traf sich gestern am späten Abend mit ihren Beratern, um über das weitere Vorgehen zu sprechen.

Rutte wollte sich vorerst nicht zu möglichen Koalitionsbildungen äußern. „Alles, was ich dazu sagen könnte, würde die Koalitionsbildung nur noch schwieriger machen“, erklärte er. Allerdings sagte der VVD-Abgeordnete Hans van Baalen, es sei „absolut logisch“, nach diesem Wahlergebnis auch mit der Freiheitspartei von Geert Wilders zu sprechen. Wilders gilt als der heimliche Sieger der Wahl. Er konnte sich von neun auf 24 Sitze verbessern und überraschte mit diesem guten Ergebnis, nachdem er vor der Wahl in den Umfragen weiter hinten gelegen hatte. „Die Niederländer fühlen sich unsicher in der Krise. Sie klammern sich an die einfachen Erklärungen von Wilders“, sagt der Politik- und Sozialwissenschaftler André Krouwel von der Freien Universität Amsterdam.

Wilders macht die Einwanderer für die Wirtschaftskrise verantwortlich. Er fordert einen Einwanderungsstopp und auch sonst zeichnet er sich durch fremden- und islamfeindliche Äußerungen aus. Auf dem Gebiet der Einwanderungspolitik gibt es durchaus Überschneidungen mit den Rechtsliberalen. Auch Rutte fordert eine Verschärfung der Integrationspolitik und will zum Beispiel erreichen, dass Einwanderer in ihren ersten fünf Jahren in den Niederlanden keine staatliche Unterstützung bekommen.

Die Rechtsliberalen kämen zusammen mit der Freiheitspartei und den Christdemokraten auf die notwendige Regierungsmehrheit. Es gilt aber als unwahrscheinlich, dass sich die Christdemokraten an einer Koalition beteiligen wollen, nachdem sie ihr schlechtestes Wahlergebnis seit Jahrzehnten eingefahren haben. Der bisherige Premierminister Jan Peter Balkenende hat bereits seinen Rücktritt als Parteivorsitzender angekündigt.

Eine andere Koalitionsmöglichkeit wäre ein Bündnis der Rechtsliberalen mit den Sozial- und den Christdemokraten oder eine Beteiligung der Grünen an einer sozialliberalen Koalition. Allerdings sind sich Rechtsliberale und Sozialdemokraten besonders in wirtschaftlichen Fragen nicht einig. Während die VVD vor allem auf Kürzungen im Sozialsystem setzt, um den Haushalt zu konsolidieren, setzen die Sozialdemokraten vor allem auf Steuererhöhungen.

Die Wahlen haben die Spaltung in der niederländischen Parteienlandschaft zwischen links und rechts weiter verstärkt. Dennoch sähen die meisten Beobachter zunächst keine Gefahr in einer Regierungsbeteiligung der Freiheitspartei: „Wenn Wilders tatsächlich an einer Regierung beteiligt wird, dann wird sich schnell zeigen, dass er kein solides Programm hat. Seine Partei wird sich auflösen ähnlich wie einst die Liste Pim Fortuyn“, sagt André Krouwel. Pim Fortuyn hatte 2002 mit ebenfalls ausländerfeindlichen Forderungen riesige Erfolge erzielt. Er wurde kurz vor den Parlamentswahlen ermordet. Seine Partei erzielte daraufhin einen Erdrutschsieg und wurde an der Regierung beteiligt, löste sich aber wegen interner Streitigkeiten schon wenige Monate später auf.

Ruth Reichstein[Den Haag]

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