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Politik: „Wir gucken nicht mehr weg“

SPD-Vorstandsmitglied Niels Annen über den Umgang seiner Partei mit dem Rechtsextremismus

Wie stark ist in der SPD die Sympathie für den Rechtsextremismus?

Die SPD hat keine Sympathie für Rechtsextremisten. Aber wir wollen uns nichts vormachen. Natürlich gibt es SPDAnhänger, die Ressentiments gegen Ausländer hegen. Stimmungen in der Bevölkerung schlagen sich in einer Volkspartei wie der SPD nieder. Den Luxus, uns als moralisch überlegene Partei zu fühlen, die sich nicht mit Rassismus beschäftigen muss, können wir uns nicht leisten.

Prominente Sozialdemokraten wie Egon Bahr und Peter Glotz gewähren der ultrarechten „Jungen Freiheit“ Interviews. Zuletzt hat in dem Blatt der Bürgermeister des Berliner Bezirks Neukölln, Heinz Buschkowsky, die Befürworter einer liberalen Einwanderungspolitik als „Mafia von Gutmenschen“ diffamiert.

Glotz und andere haben einen schweren Fehler gemacht. Man darf der „Jungen Freiheit“ nicht auf den Leim gehen. Sie will die Trennlinie zwischen Demokratie und Rechtsextremismus aufweichen. Dafür werden Demokraten instrumentalisiert. Wir weisen im jetzt erscheinenden Leitfaden ausdrücklich darauf hin, dass Sozialdemokraten sich von Blättern wie der „Jungen Freiheit“ fern halten sollten.

In dem Leitfaden heißt es, Engagement gegen Rechtsextremismus dürfe kein Strohfeuer-Aktionismus bleiben. Der im Jahr 2000 von Bundeskanzler Schröder ausgerufene Aufstand der Anständigen flaute allerdings rasch ab. Wie soll jetzt mehr Nachhaltigkeit erreicht werden?

Widerspruch! Der Aufstand der Anständigen wirkt. Die Bundesregierung hat mehrere Programme gegen Rechtsextremismus aufgelegt. Bis 2006 werden dafür rund 180 Millionen Euro ausgegeben sein. Damit werden viele Initiativen finanziert. Der SPD-Vorstand will jetzt mit dem Leitfaden das Engagement der Sozialdemokraten vor Ort stärken. Ich selbst fahre im April mit unserem Generalsekretär Klaus Uwe Benneter in die Sächsische Schweiz, um Initiativen zu besuchen.

Warum verstärkt die SPD erst jetzt ihr Engagement? Weshalb hat sie nicht früher auf Bundestagspräsident Thierse gehört, der seit Jahren vor der braunen Gefahr warnt?

Die NPD hatte jahrelang in Sachsen eine Aufbaupolitik betrieben, dennoch waren die meisten Demokraten vom Wahlergebnis der NPD vollkommen überrascht. Die SPD wird in Zukunft die Warnungen von Thierse nicht mehr überhören. Wir werden nicht mehr weggucken. Wir stellen uns der Auseinandersetzung vor Ort und in den Parlamenten.

Im Leitfaden gibt es Tipps, wie Neonazis von Schulen und Sportstätten fern gehalten werden sollten. Es fehlen aber Argumentationshilfen für den Fall, dass Rechtsextremisten soziale Themen aufgreifen, wie das Problem der Arbeitslosigkeit.

Wir werden den Leitfaden fortschreiben und auswerten, welche Erfahrungen die Parteimitglieder vor Ort machen. Schon jetzt berichten Sozialdemokraten, was ihnen widerfährt. Das reicht bis zur Bedrohung durch Neonazis.

Der SPD-Vorstand fordert, am 8. Mai in Berlin der geplanten NPD-Demonstration entgegenzutreten. Ist damit ziviler Ungehorsam gemeint, bis hin zu Sitzblockaden?

Ich kann jeden verstehen, der den Nazis nicht die Straße überlassen will. Die SPD wird den Kampf mit allen legalen Mitteln führen. Am 8. Mai geht es nicht um die NPD, es geht darum, am 60. Jahrestag der Befreiung die Gemeinsamkeiten und das Selbstbewusstsein aller Demokraten in der Öffentlichkeit zu demonstrieren.

Am Mittwoch will die SPD in Leipzig den Leitfaden vorstellen. Was macht die Partei, wenn NPD-Abgeordnete auftauchen?

Wir schmeißen sie raus.

Das Interview führte Frank Jansen.

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