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Politik: „Wir haben getan, was möglich war“

FDP-Generalsekretär Patrick Döring über die Absage seiner Partei an Steuererhöhungen, die schwarz-gelbe Familienpolitik und Merkels Kurs beim Mindestlohn.

Herr Döring, mit dem Slogan „Mehr Netto vom Brutto“ hat die FDP 2009 mehr als 14 Prozent der Wähler überzeugt. Ist das die Messlatte für 2013?

Das war sicher eine besonders günstige Situation. Die Menschen hatten die große Koalition satt und wollten sicherstellen, dass es keine Neuauflage gibt. Trotzdem bin ich optimistisch. Wir haben in den vergangenen Jahren gute Arbeit geleistet und bei den Wahlen in Schleswig-Holstein, Nordrhein-Westfalen und Niedersachsen gezeigt, dass, wenn wir geschlossen stehen und sehr gut kämpfen, wir nah an ein zweistelliges Ergebnis herankommen können.

„Mehr Netto vom Brutto“ taucht in Ihrem Wahlprogramm nicht mehr auf. Ist jetzt Schluss mit Steuersenkungen?

Zunächst einmal: Wir haben getan, was möglich war. Heute hat ein durchschnittlicher Arbeitnehmer 500 Euro mehr netto in der Tasche als zur Zeit der großen Koalition. Gleichzeitig haben wir die Haushalte saniert. Angesichts der Schuldenkrise wollten wir keine Steuersenkungen auf Pump. Das ist keine Abkehr, wir setzen weiter auf Leistungsgerechtigkeit. Alle anderen Parteien fordern Steuererhöhungen. Und da sagen wir: Stopp, der Staat muss mit dem Geld auskommen, das er vom Bürger bekommt. Deshalb wollen wir ein Belastungsmoratorium.

Was ist ein Belastungsmoratorium?

Wir wollen Bürger und Unternehmer vor weiteren Belastungen schützen. Breite Schultern müssen mehr tragen und tun das in Deutschland auch. Anstrengung und Wagnis müssen sich aber auch auszahlen. Deshalb wird es mit der FDP keine Steuererhöhungen in der nächsten Legislaturperiode geben.

Wenn schon die FDP keine Steuersenkungen mehr fordert, sind dann die Zeiten dafür endgültig vorbei?

Wenn andere gewählt werden, ganz bestimmt. Die linken Parteien wollen einen Steuererhöhungswahlkampf zulasten der Mitte der Gesellschaft führen. Sie träumen von Vermögenssteuer, höherer Erbschafts- und Einkommenssteuer oder der Abschaffung der Pendlerpauschale. Wenn wir erneut die Chance auf eine Regierungsbeteiligung bekommen, werden wir die finanziellen Spielräume auch dazu nutzen, die arbeitende Mitte der Bevölkerung zu entlasten. Wir wollen den Abbau der kalten Progression nach wie vor. In der kommenden Wahlperiode wird alleine der Bund rund 30 Milliarden Euro mehr an Steuern einnehmen, und zwar bei einem ausgeglichenen Haushalt. Das sind die Spielräume, die es uns ermöglichen, den Menschen etwas zurückzugeben.

Zu den zentralen Wahlkampfthemen wird die Familienpolitik gehören. Gibt Deutschland zu viel Geld für Familien aus?

Das denke ich nicht. Allerdings müssen wir uns fragen, ob wir das Geld an der richtigen Stelle ausgeben oder es nicht besser in Strukturen investieren. Wir wollen deshalb alle Leistungen auf den Prüfstand stellen und im Lichte des Kindeswohls ihre Zweckmäßigkeit hinterfragen.

Peer Steinbrück, der Kanzlerkandidat der SPD, sagt, das Betreuungsgeld muss weg, und die Milliarden müssen in die Kinderbetreuung investiert werden. Hat er recht?

Das Betreuungsgeld war nicht unser Herzensanliegen. Ich sage jedoch auch: Für Liberale geht es um die Vielfalt der Lebensentwürfe. Wir schreiben keiner Familie vor, wie sie ihre Kinder erziehen soll. Es gibt kein Bundesland, das Kitaplätze für mehr als 50 Prozent der Kleinkinder plant. Das heißt: Die Hälfte aller Eltern will ihre Kinder zu Hause betreuen. Und hier wurde in der Debatte der Eindruck erweckt, Kinder, die zu Hause betreut werden, hätten immer und grundsätzlich geringere Bildungschancen. Das ist nicht der Fall. Jeder soll die Freiheit haben, für sich zu entscheiden, wie er seine Kinder betreut.

Nach der Wahl will die SPD, wenn sie gewinnt, das Ehegattensplitting für kinderlose Ehen abschaffen. Ist das steuerliche Splitting eine überholte Einrichtung aus Zeiten der Einverdienerehe?

Das Ehegattensplitting ist keine Subvention. Es sorgt dafür, dass Menschen, die füreinander Verantwortung übernehmen, steuerlich besser gestellt werden als die, die es nicht tun. Wer die Abschaffung fordert, zumal als früherer Finanzminister, der verkennt die Rechtslage. Und wer das Ehegattensplitting nur für künftige Ehen abschaffen will, wird erst einen Run auf die Standesämter und dann auf die Finanzgerichte auslösen. Ganz abgesehen davon, dass die SPD mal sagen soll, warum sie Eltern, die zwei oder drei Kinder erzogen haben, mit massiven Steuererhöhungen bedrohen will, wenn die Kinder aus dem Haus sind. Unsere Antworten bei der Entlastung von Familien sind klar: Das steuerliche Existenzminimum für Kinder muss schrittweise auf das Niveau von Erwachsenen angehoben und die Steuerklasse V muss abgeschafft werden.

Angela Merkel hat die FDP aufgefordert anzuerkennen, dass es in Deutschland ein Gerechtigkeitsproblem bei den Löhnen gibt, und eine einheitliche Lohnuntergrenze gefordert. Rot-Grün will einen Mindestlohn einführen. Warum wehrt sich die FDP als einzige politische Kraft dagegen?

Weil ein flächendeckender gesetzlicher Mindestlohn Wachstum abwürgen und vor allem viele hunderttausend Menschen ihre Jobs kosten würde. Es gab und gibt Verwerfungen in einigen Branchen. Deshalb hat die FDP alle Vorschläge für branchenspezifische Lohnuntergrenzen mitgetragen. Wenn Frau Merkel sagt, dass in Mecklenburg-Vorpommern Kellner und Zimmermädchen so schlecht bezahlt werden, dass man eine Lohnuntergrenze braucht, dann frage ich, warum die Landesregierung in Schwerin und auch keine einzige andere Landesregierung bisher einen Antrag nach dem seit 1952 geltenden Mindestarbeitsbedingungengesetz für eine Lohnuntergrenze gestellt hat.

Das Gespräch führte Antje Sirleschtov.

Patrick Döring (39) ist seit 2012 Generalsekretär der FDP. Seit 2005 sitzt der Ökonom im Bundestag. Er ist stellvertretender Chef der FDP-Fraktion und verkehrspolitischer Sprecher.

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