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Politik: Wir hätten noch ein paar Fragen

DAS ZWEITE TV-DUELL

Von Giovanni di Lorenzo

Dies ist der Morgen vor der letzten großen Chance für die Kandidaten, Wähler auf ihre Seite zu ziehen. Worauf kommt es bei diesem Fernsehduell noch an? Zwei Besonderheiten prägen den Wahlkampf. Die Bürger sehnen sich nach Substanz in der Politik, weil sie sich die Lösung der Probleme erhoffen, die sie immer stärker selbst betreffen. Deshalb stehen für sie die Überwindung der Wirtschaftskrise und der hohen Arbeitslosigkeit auch an erster Stelle. Und in diesen schweren Zeiten erwarten sie von Politikern Verlässlichkeit, Stehvermögen und Ernsthaftigkeit. Demgegenüber erleben sie Kandidaten, die die Wünsche der Bürger zwar wohl registriert haben, ihnen aber mit Beliebigkeit, Anpassung und Gefälligkeit begegnen.

Stoibers Ecken und Kanten sind abgeschliffen, auf dass sich kein Wähler der Mitte mehr daran stoßen kann. Schröder springt auf jedes Thema, mit dem noch Stimmung zu machen ist. Der konservative Stoiber geißelt Steuergeschenke an Kapitalgesellschaften, der Sozi Schröder beharrt auf seinem deutschen Weg, beide nach der Devise: Ich bin dort, wo der Konkurrent gerade nicht ist. Rechts oder links, unten, oben oder vorne. Hauptsache nicht hinten. Die großen Parteien werden sich mit dem Argument verteidigen, dass mit bitteren Wahrheiten in Deutschland keine Wahlen zu gewinnen sind – wir alle es also nicht anders verdient haben. Vielen wird es aber am Wahltag so gehen wie dem technisch unbedarften Kunden bei der Auswahl eines neuen CD-Players: Sie erscheinen ihm alle gleich, er muss sich nach dem Image des Produkts oder den Einflüsterungen des Verkäufers entscheiden.

Die zweite Anomalie besteht darin, dass zwar der Machtwechsel nicht unwahrscheinlich zu sein scheint, der Wechsel aber vonstatten ginge, ohne dass der Wähler der Spitzenpolitiker dieser Regierung wirklich überdrüssig wäre, was vor allen anderen für Schröder gilt: Wenn es für die SPD gegen alle Erwartung und gegen eine zum Teil bis zur Feindseligkeit kritisch eingestellte Presse nochmal reichen sollte, dann wäre dies alleine der Sieg von Schröder.

Vom zweiten Duell erwarten viele die Beantwortung weltbewegender Fragen: Wird Stoiber weniger angestrengt lächeln als vor 14 Tagen? Bricht sich, im schönen Angesicht von Frau Illner und Frau Christiansen, Schröders Charme endlich eine Bahn durch die Starre des Staatsmannes? Wir wären mit bescheideneren Auskünften zufrieden: Warum fallen der Union die großartigen Maßnahmen zur Stützung von Konjunktur und Mittelstand, zum Abbau von Arbeitslosigkeit, Bürokratie und Steuerlast erst eine Legislaturperiode nach ihrer 16-jährigen Regierungszeit ein? Warum stimmt es nicht, dass die vier Millionen Arbeitslosen und die Stagnation in Deutschland nur die Folge internationaler Krisen sind? Warum vergreift sich Schröder in seiner Abgrenzung zu den USA derart im Ton? Warum verwahrte sich der Spitzenkandidat einer konservativen Partei trotzdem nicht früher gegen eben diesen Ton?

Das Fernsehen ist das Medium, das besser als jedes andere einen Eindruck vom Wesen eines Menschen vermitteln kann. Sollten heute Abend Anflüge von Wahrhaftigkeit bei den Kandidaten erkennbar sein, so wäre das wahrscheinlich nicht gewollt. Vielleicht aber wahlentscheidend.

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