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Politik: "Wir können uns nur noch selbst ausgrenzen" - Petra Pau, mögliche Kandidatin für den Parteivorsitz, im Gespräch

PETRA PAU (36) ist Landesvorsitzende der Berliner PDS. Ein drittes Mal will sie nach acht Jahren nicht mehr für dieses Amt kandidieren.

PETRA PAU (36) ist Landesvorsitzende der Berliner PDS. Ein drittes Mal will sie nach acht Jahren nicht mehr für dieses Amt kandidieren. Nach dem Doppel-Rücktritt von Lothar Bisky und Gregor Gysi werden ihr große Chancen für das Amt der Parteichefin eingeräumt. Die verschiedenen Partei-Strömungen "passen eigentlich nicht in einen Topf", sagt sie - schon wenn es um deren Verhältnis zur SED geht.

Frau Pau, Sie sind in diesen Tagen viel im nordrhein-westfälischen Landtagswahlkampf unterwegs gewesen. Wie fühlt man sich da als PDS-Politikerin so?

Ich war richtig angenehm überrascht. Das war selbst in den kleineren Städten gar nicht mehr anders, als wenn ich mich hier in meinem Wahlkreis an einen Informationsstand stelle. Es gab sofort Interesse, auch besorgte Anfragen, was wir denn mit unserer Partei machen. Vor allem viele Sozialdemokraten haben sich gemeldet und gefragt: Schafft ihr das denn, ohne Gysi und Bisky?

Schafft die PDS es? Was bedeutet die Zeit nach Gysi und Bisky für die Partei?

Ich finde, da liegen Risiko und Chance ganz nah beieinander. Einerseits kenne ich niemanden, der die PDS so gut übersetzen konnte, vor allem auch im Westen wie Gregor Gysi. Das wird nur schwer zu ersetzen sein. Andererseits haben die beiden in den vergangenen Jahren auch manche Schwäche in der PDS überdeckt.

Zum Beispiel?

Nehmen Sie zum Beispiel die strukturellen Defizite in unserer innerparteilichen Debatte. Die liegen offen zu Tage. Deswegen reden wir ja auch seit über einem Jahr schon über eine Parteireform. Ich meine damit keine kosmetischen Operationen am Statut. Wir müssen endlich inhaltliche Arbeitsstrukturen schaffen, die Entscheidungen nicht behindern, sondern die klare Entscheidungen befördern. Es kann nicht sein, dass wir nach einer Mehrheitsentscheidung sagen, alle drei Minderheitsvoten seien nun auch weiter als gleichrangig zu behandeln. Dann kann niemand mehr erkennen, was die inhaltliche Richtung der PDS eigentlich ist.

Warum auf einmal so deutliche Worte?

Wir sind nach zehn Jahren deutscher Einheit in einer völlig neuen Situation, die die Partei noch nicht verarbeitet hat. Wir sind seit der Bundestagswahl 1998 in Fraktionsstärke im Bundestag, wir regieren in Mecklenburg-Vorpommern mit, wir tolerieren in Sachsen-Anhalt, wir sind Opposition in Berlin und in anderen Ländern. Das sind völlig unterschiedliche Konstellationen. Das heißt, das, was wir uns immer gewünscht haben, ist jetzt eingetreten. Wir sind in dieser Gesellschaft nicht mehr ausgegrenzt. Wir können uns nur noch selbst ausgrenzen und in die Ecke stellen. Es ist deutlich, dass wir es ernst gemeint haben, mit unserem Weg hinein in die Gesellschaft der Bundesrepublik und nicht zurück zur DDR.

So, wie Sie das beschreiben, wird das nicht jedem in der PDS gefallen.

Mit der programmatischen Debatte, die wir jetzt dringend führen müssen, wird sich auch manch einer in der Partei entscheiden und sagen, das war nicht mein Weg.

Und dann muss er gehen?

Das muss jeder für sich selbst bestimmen. Wenn sich das am Programm oder an konkreter Politik entscheidet, wenn das nicht nicht über Ausschlüsse läuft, ist das ein normaler Klärungsprozess.

Aber die Bremser wittern seit dem Parteitag in Münster doch wieder Morgenluft .

Dann müssen sie es auf dem Cottbuser Parteitag auch versuchen, Mehrheiten zu bekommen und zu sehen, wie stark sie sind. Was in Münster bei einem konkreten Antrag zusammen gestimmt hat, wächst deswegen inhaltlich noch lange nicht zusammen. Eigentlich passen die nicht in einen Topf: Kommunistische Plattform, Marxistisches Forum, junge reformorientierte Landespolitiker und dann noch die, die die PDS aus einem ganz radikalen Ansatz von links kritisieren. Die treffen sich spätestens dann nicht, wenn es um ihr Verhältnis zur Geschichte oder zur SED geht. Die einen heißen das gut, die anderen kritisieren genau die autoritären Strukturen in der DDR. Die Aufgabe der neuen Parteiführung, die im Herbst in Cottbus gewählt wird, muss sein, dafür zu sorgen, dass da wieder Trennschärfe deutlich wird.

Was bedeutet denn für Sie vor dem Hintergrund Sozialismus?

Sozialismus ist für mich das Ziel einer demokratischeren und menschlicheren Gesellschaft. Zugleich ist er für mich Weg, was einschließt, sich sozial und ökologisch zu engagieren. Schließlich geht es darum, menschliche Werte und Interessen höher zu schätzen als die Bedürfnisse des großen Kapitals.

Das könnte mancher Sozialdemokrat genauso gesagt haben.

Da schäme ich mich nicht für. Für mich ist Sozialdemokratismus kein Schimpfwort. Das ist überhaupt nicht mein Problem. Ich bin der Ansicht, dass die PDS sich zu sozialdemokratischen Traditionen genauso bekennen sollte wie zu kommunistischen.

Und welche beiden sollen das an der Spitze der Partei und der Fraktion künftig tun?

Das sollen nicht nur zwei sein. Es geht für die PDS jetzt darum, ein Team zu finden. Aber ich möchte gern, dass wir uns vorher mit den inhaltlichen Fragen befassen, die zu klären sind. Es muss aber klar sein, dass der Parteivorstand nicht eine außerordentliche Versammlung aller Plattformen und Strömungen in der PDS sein darf, der alles blockiert.

Der amtierende Vorstand will am 15. Mai einen Vorschlag vorlegen, wen er bei der Kandidatur zum neuen Vorsitzenden unterstützt.

Der Vorstand ist frei in seinen Entscheidungen. Ich meine aber, dass es ein gutes demokratisches Verfahren wäre, wenn mögliche Bewerber auch ausreichend Möglichkeit bekommen, sich zu prüfen, sich zu beraten und dann zu entscheiden.

Trauen Sie sich den Parteivorsitz denn zu?

Für mich ist im Moment nur eines klar und zwar, dass ich nicht noch einmal als Berliner Landesvorsitzende antreten werde. Wenn meine Amtszeit endet, habe ich das acht Jahre lang gemacht. Und acht Jahre in einem Amt sind genug. Außerdem bereite ich einen Landesparteitag vor, der am 20. Mai stattfindet, und auf dem wir in einer politischen Erklärung unseren Weg hinein in die Gesellschaft bekräftigen wollen. Vorher werde ich über eine mögliche Kandidatur um den Bundesvorsitz gar nichts entscheiden.

Das heißt, bis zum vom Parteivorstand genannten Datum 15. Mai ist von Ihnen nichts zu hören?

Richtig. Das schließe ich für mich aus. Ich meine aber auch, dass der Vorstand jetzt vordringlicher die inhaltlichen Punkte für den Parteitag in Cottbus überlegen und die Strategie bis zur Bundestagswahl 2002 beraten sollte. Auf einer solchen Grundlage kann man dann über Personal reden. Das kann auch nach dem 15. Mai sein.

Was wären denn die Stärken Und Schwächen einer möglichen Vorsitzenden Pau?

Ich glaube, meine Stärke ist, dass ich nicht nur zuhören kann, sondern aus dem Zuhören auch Ideen entwickele und Leute dafür gewinnen kann. Meine Schwäche: Ich kann nicht so gut nein sagen.

Keine gute Voraussetzung für eine Chefin, die führen will.

Nein, das halte ich nicht für das Problem. Die Schwierigkeit beim Nein-Sagen betraf bisher nur die Übernahme von eigenen Verantwortungen. Mit Petra Pau sprachen Carsten Germis und Matthias Meisner.

Frau Pau[Sie sind in diesen Tagen viel im nordrhe]

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