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Wirtschaftspolitik: Köhler plädiert für einen starken Staat

Union und FDP haben ihre Koalitionsgespräche begonnen – und Bundespräsident Köhler sendet zugleich Signale: Vor Gewerkschaftern warnte er inmitten der Krise vor einer Übermacht des Marktes.

Inmitten der Wirtschaftskrise und unmittelbar vor den beginnenden Koalitionsverhandlungen von Union und FDP hat sich Bundespräsident Horst Köhler für einen starken Staat ausgesprochen. Speziell in der Wirtschafts- und Finanzpolitik warnte er davor, sie dem freien Spiel ökonomischer Kräfte zu überlassen. "Die ordnungspolitischen Vordenker unserer Sozialen Marktwirtschaft haben Recht behalten: Der Markt alleine richtet nicht alles zum Guten", sagte Köhler, der bei einer Festveranstaltung zum 60-jährigen Bestehen des Deutschen Gewerkschaftsbundes sprach.

Viele Staaten, auch Deutschland, hatten mit Stützungsmaßnahmen in dreistelliger Milliardenhöhe versucht, einen Zusammenbruch des Finanzsektors und der Wirtschaft zu verhindern. Die Mitgliedsstaaten der G-20-Gruppe versuchten auf Spitzentreffen in den letzten Wochen, sich auf einheitliche und möglichst scharfe Regeln für die Finanzmarktaufsicht zu einigen. Sie verpflichteten Banken zu erhöhter Risikovorsorge. Der Plan, Börsenumsätze international zu besteuern, fand dagegen keine Mehrheit.

Köhler – selbst ausgebildeter Ökonom – zeigte sich besorgt, dass sich eine Finanzkrise, wie sie sich derzeit weltweit zeigt, wiederhole. Auf den internationalen Finanzmärkten seien schon wieder undurchsichtige Spekulationsgeschäfte zu beobachten, "und alles davon in Größenordnungen, die völlig unvorstellbar sind". Der frühere Direktor des Internationalen Währungsfonds sprach von "Hütchenspielern im Shadow-Banking", die mit "intransparenten Derivategeschäften auf den Rohstoffmärkten", für Unsicherheit sorgten.

Ein ungebremster und unregulierter Handel mit Schulden oder mit Optionen auf Geschäfte hatte das weltweite Finanzsystem an die Grenzen seiner Belastbarkeit gebracht. Mitauslöser war die enorme Masse von Risikokrediten auf dem US-Immobilienmarkt. Hinzu kam der Zusammenbruch der Investmentbank Lehman Brothers. Als in den Folgemonaten die Banken bei der Kreditvergabe zunehmend zauderten, ergriff die Krise auch die Unternehmen.

Die Gefahr eines erneuten Zusammenbruchs der Geschäfte von Banken und Wertpapierhändlern ist für Köhler keineswegs gebannt. "Ich sehe das Monster noch nicht auf dem Weg der Zähmung", sagte er. Vor allem könne er keine tiefer gehende Selbstreflektion der globalen Finanzakteure erkennen. Im Gegenteil: Es sehe so aus, als ob die Branche die Politik in ihrem Bemühen, eine weitere Krise auszuschließen, im Regen stehen lasse.

Köhler forderte die Politik auf, mehr für eine bessere Weltfinanz- und Weltwirtschaftsordnung zu tun. An den Beschlüssen nach dem Weltfinanzgipfel der G-20-Staaten Ende September in Pittsburgh könne er noch nicht entnehmen, dass sich eine Krise dieser Dimension auf den Weltfinanzmärkten nicht doch wiederholen könne.

Köhler warnte davor, einfach zu hoffen, das Wachstum könne das Geschehene zudecken und vergessen machen. Auch habe die Diskussion darüber, wer die Kosten der aktuellen Krise trage, noch nicht ernsthaft begonnen.  

Quelle: ZEIT ONLINE, dpa

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