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Viviana Steinberg kommt gern in die Librería Henschel - dem einzigen Ort in Buenos Aires, an dem die deutsche Sprache noch lebendig ist.

© Thomas Schneider

Exil in Argentinien: Wo Juden und Nazis ihre Bücher kaufen

Zur NS-Zeit flohen viele Juden nach Argentinien, später versteckten sich dort Nazis. Sie alle finden die Kultur ihrer Heimat im letzten deutschen Buchladen von Buenos Aires. Ein Ort der Erinnerung – und des Schmerzes. Lesen Sie hier kostenlos einen Auszug. Den vollständigen Artikel erhalten sie kostenpflichtig im digitalen Kiosk Blendle.

An jedem Vormittag, kurz vor elf, wechselt Viviana Steinberg das Jahrhundert. Sie geht die Reconquista-Straße entlang, die noch zweifelsfrei zur Gegenwart gehört, Buenos Aires 2015: Von Fotos in den Schaufenstern grüßt lächelnd Papst Franziskus. Aber dann betritt sie das Haus mit der Nummer 533, steigt in den ersten Stock, schließt die Glastür auf und ist damit in der Vergangenheit angekommen. Librería Anticuaria Henschel steht auf einem Schild. Die Antiquarische Buchhandlung sieht aus, als hätte Frau Steinberg sie nicht gestern Abend erst verlassen, sondern 1950.

Das ist ihr Arbeitsplatz. Lange Regale voller deutscher Bücher, Erstausgaben von Brecht bis Zuckmayer. Thomas Mann hat eine eigene Abteilung. Generationen deutscher Einwanderer haben hier Bücher ge- und verkauft. Viviana Steinberg fühlt sich wohl zwischen den alten Büchern. Meistens. Manchmal jedoch erlebt sie Szenen, die ihr vertraut sind und sie dennoch schaudern lassen.

Eine klassische Situation läuft so ab: Ein Kunde kommt durch die Tür, sieht sich kurz um und fragt auf Deutsch: „Haben Sie auch das Buch?“ Nichts weiter. Als ginge es um das Buch schlechthin, das einzig maßgebliche Buch, für das allein es sich lohnt, eine Buchhandlung zu betreten. Viviana Steinberg weiß in so einem Moment, was der Kunde sucht. Den speziellen, ehrfurchtsvollen Tonfall, in dem dieses „das“ ausgesprochen wird, kennt sie. Nach 18 Jahren im Geschäft überrascht sie keiner mehr. Trotzdem ist sie dann jedes Mal erleichtert, dass sie Hitlers „Mein Kampf“ nicht vorrätig hat. Sie verneint also und ist ziemlich sicher, dass dieser Kunde kein anderes Buch kaufen wird. In den Sekunden, bis er geht, kann es sein, dass ihr Fragen durch den Kopf schießen: Wer ist dieser Mann? Was haben seine Eltern 1937 gemacht? ....

Hier geht es zum vollständigen Text. (25 Cent im digitalen Kiosk Blendle)

Thomas Schneider

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