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Minister, Spitzenkandidat – und dann? Norbert Röttgen tritt für die CDU in NRW an. Foto: Caroline Seidel/dpa

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Politik: Wohin des Wegs?

Norbert Röttgen verwirrt Freunde und erfreut Gegner – das Offenhalten seiner Zukunft nach der Wahl in Nordrhein-Westfalen gefährdet seinen Ruf.

Von Robert Birnbaum

Berlin - Es kommt nicht oft vor, dass so ungefähr die ganze CDU mit Sigmar Gabriel einer Meinung ist. Am Montag aber spricht der SPD-Chef vielen Christdemokraten aus der Seele: „Mit Fassungslosigkeit“ erfülle es ihn, mitanzusehen, wie Norbert Röttgen sich nicht darauf festlegen will, nach der Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen notfalls als Oppositionsführer nach Düsseldorf zu gehen. Gabriel ist natürlich in Wahrheit hoch beglückt, kann er doch den CDU-Spitzenkandidaten an Rhein und Ruhr als bloßen Karrieristen hinstellen: Der Umweltminister, ätzt Gabriel, betrachte NRW offenbar nur „als Durchgangsstation für die eigene politische Karriere“.

Doch ein bisschen fassungslos dürfte der SPD-Chef auch sein. Röttgen gilt als manchmal eigenwilliger, aber doch gewiefter Politprofi. Dass er derart hartnäckig darauf besteht, einen Kardinalfehler früherer Wahlkämpfer zu wiederholen, ist selbst für politisch Nahestehende nicht zu begreifen. Ist nicht Norbert Blüm in NRW 1990 gescheitert, der sein Ministeramt in Bonn nicht aufgeben wollte? Hat nicht Renate Künast in Berlin gerade erst krachend verloren? Die Grüne, sagt einer der wenigen Verteidiger von Röttgen, sei allerdings kein guter Vergleich: Künast hat erklärt, dass sie nur als Regierende in die Landespolitik wechseln würde; Röttgen hingegen halte sich die Entscheidung offen, was ja den Wechsel nach Düsseldorf nicht ausschließe.

Aber über feinziselierte Auslegungen braust ein Wahlkampf hinweg. Sie überzeugten auch keinen von denen in der Union, die auf Röttgen eingeredet haben, bis zur Vorsitzenden und Kanzlerin. Angela Merkel hat dem Minister im Umfeld der Bundesversammlung nahezubringen versucht, dass mit einem vollen Bekenntnis zu Nordrhein-Westfalen seine Wahlchancen größer sind als mit Dauerdebatten darüber, ob er die Bewerbung ernst meint.

Der CSU-Vorsitzende Horst Seehofer hat Röttgen sogar öffentlich aufgefordert, ohne „Rückfahrkarte“ anzutreten. Das kam speziell in NRW nicht gut an. Als Merkel am Samstag beim Delegiertenabend vor der Bundespräsidentenwahl beiläufig erwähnte, dass im nächsten Jahr ja auch in Bayern gewählt werde, tönte von hinten eine Ruhrgebietsstimme: „Jau, da wer’n wir uns revanchieren!“ Aber in der Sache ist an diesem Abend im Konrad-Adenauer-Haus kaum ein Maßgeblicher anzutreffen, der Seehofer nicht recht gäbe. In Bayern, sagt ein führender CSUler, versuche man schließlich gerade selber, den SPD-Spitzenbewerber Christian Ude mit dem Vorwurf auf Distanz zu halten, der Münchner OB interessiere sich in Wahrheit nicht fürs Land.

Seehofers Vorpreschen ist trotzdem eher geeignet, die NRW-CDU in eine Wagenburg um ihren Spitzenmann zu drängen; dem Bayern unterstellen sie in der CDU sofort Intrigantentum. Peter Altmaier kann das keiner unterstellen. Aber auch der Fraktionsgeschäftsführer weiß sich nicht mehr anders zu helfen, als den Freund Norbert öffentlich zur Räson zu rufen. Die Landtagswahl am 13. Mai sei wichtig für die Ausgangsposition der Union im Bundestagswahlkampf 2013, appelliert Altmaier im Bayerischen Rundfunk: „Deshalb haben wir ein gemeinsames Interesse, dass wir gut aufgestellt sind, dass offene Fragen geklärt werden.“

Altmaier wusste auch, wo die Klärung stattfinden konnte – in der Landesvorstandssitzung am Montag. Aber auch hier ließ Röttgen am Abend seine Zukunft in der NRW-Landespolitik offen. Vor der Sitzung hatte Generalsekretär Oliver Wittke noch rasch die Parole ausgegeben: „Wir lassen uns unseren Ministerpräsidentenkandidaten nicht entmannen!“ Und Fraktionschef Karl-Josef Laumann verbat sich jede Einmischung: Man brauche Ratschläge „weder aus München noch von Generalsekretären einer Splitterpartei“.

Gemeint ist Patrick Döring. Die FDP nutzt die Causa Röttgen längst als Munition im eigenen Überlebenskampf. Spitzenkandidat Christian Lindner hat schon versichert, er gehe in jedem Fall nach NRW. Aber Döring ist viel böser. „Norbert Röttgen muss aufpassen, dass er durch die Debatte nicht irreparabel beschädigt wird“, hat der FDP-General der „Rheinischen Post“ gesagt. Der Satz ist ein Zitat. „Irreparabel beschädigt“ – so hat Röttgen im Herbst 2010 über den damaligen FDP-Chef Guido Westerwelle geurteilt. Er hat sich dafür entschuldigen müssen. Aber die Analyse stimmte.

Vielleicht hat Döring Röttgen da an etwas erinnert. Der Umweltminister war mit einer Doppelbotschaft in die Vorstandssitzung marschiert: „Wir brauchen keine Ratschläge von außen. Das gilt auch für Seehofer und Altmaier“, ist der harte Teil. Es folgt ein ganz neuer, weicher: Was den Wechsel nach Düsseldorf angehe – „ich habe es nie ausgeschlossen“.

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