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Wolfgang Böhmer

© Mike Wolff

Wolfgang Böhmer: "Wie eine Selbstfindungsgruppe"

Ministerpräsident Böhmer spricht mit dem Tagesspiegel über die Probleme der Koalition und der Union, den Aufschwung der Grünen – und rot-rote Optionen in Sachsen-Anhalt.

Herr Böhmer, die nächste Landtagswahl findet im März 2011 in Sachsen-Anhalt statt. Bekommen Sie genug Rückenwind aus Berlin für Ihre CDU?

Für eine Wahl kann man nie genug Rückenwind haben. Aber gelegentlich ist man schon zufrieden, wenn es keinen Gegenwind gibt.

Wie viel Gegenwind gibt es?

Ich verspüre, dass es Sympathieverluste für die Union gibt, das belegen ja auch die Umfragen. Das wirkt dann nicht nur auf der Bundesebene selbst, sondern auch auf die Stimmung in den Regionen. Für Wahlkämpfer ist das nicht gerade förderlich. Die Bundesregierung hatte nach eigenen Angaben einen schwierigen Start. Sie hat viele Probleme, die schon bei den Koalitionsverhandlungen hätten ausgeräumt werden müssen, in den vergangenen Wochen und Monaten öffentlich ausdiskutiert. Nahezu wie eine Selbstfindungsgruppe hat die Koalition die Zusammenarbeit erst gemeinsam erlernen müssen.

Ist die CDU noch konservativ genug?

Mir hat noch niemand erklärt, was das im politischen Geschäft bedeutet. Es ist ein unscharfer Begriff, jeder denkt sich etwas anderes dazu. Aber richtig ist: Eine Partei, die Volkspartei bleiben möchte, muss sich dahin bewegen, wo die Mehrheit der Wähler sich hinbewegt, zur Mitte hin.

Diese Mitte findet zuweilen auch Thesen eines Thilo Sarrazin gut. Die CDU-Spitze aber hat sich scharf abgegrenzt.

Manche Formulierung hätte man anders wählen können. Ich hätte mich nicht so abwertend geäußert, weniger hart von Sarazzin abgegrenzt. Er hat ein paar unhaltbare Positionen behauptet. Trotzdem ist das kein Grund ihn insgesamt zu verurteilen.

In Berlin und Baden-Württemberg ist gerade zu erleben, dass die Grünen in Umfragen die SPD überrunden. Zeichnet sich ein Ende der Volksparteien ab?

Das muss nicht gleich das Ende der Volksparteien bedeuten. Aber das bedeutet ganz offensichtlich, dass die SPD – aber nicht nur die – Wähler an die Grünen verloren hat. Die CDU muss auf alle Fälle verhindern, dass die Grünen bei ihrer Selbstdarstellung ein Monopol auf Umweltfragen beanspruchen.

Was heißt das konkret für die Atomdebatte?

Auch in dieser Frage müssen wir die Komplikationen, die jede Form der Energiegewinnung mit sich bringt, bedenken. Ohne allerdings Angst zu haben vor einer Technologie, die inzwischen doch recht sicher ist.

Sie werden im kommenden Jahr nicht erneut antreten. Wie steht Sachsen-Anhalt heute da?

Auf jeden Fall besser als vor acht Jahren, als ich diese Aufgabe übernommen habe. Aber noch nicht so weit, wie ich mir gewünscht hätte.

Wie gut klappt im Magdeburg die Zusammenarbeit mit der SPD, soll es eine Wiederauflage dieses Bündnisses geben?

Die Zusammenarbeit in der jetzigen Legislaturperiode ist so gut gelaufen, dass ich keinen Grund zur Klage habe. Ich kann mir vorstellen, dass CDU und SPD eine weitere Wahlperiode zusammen regieren.

Die SPD selbst hält sich auch Rot-Rot offen. Empfehlen Sie Ihrer Landespartei den Wahlkampf gegen ein Linksbündnis?

Der ergibt sich ganz automatisch. Die Linke beansprucht das Amt des Ministerpräsidenten und sagt ganz deutlich, dass sie eine Regierung mit der SPD bilden möchte. Die SPD wiederum schließt das rot-rote Bündnis ausdrücklich nicht aus, aber nur, wenn sie selbst den Ministerpräsidenten stellen könnte. Ein Wahlkampf gegen ein Linksbündnis ist also kein Wahlkampf gegen eine Fiktion. Beide Parteien betrachten das als eine realistische Möglichkeit, wenn auch unter unterschiedlichen Bedingungen.

An den unterschiedlichen Bedingungen könnte Rot-Rot scheitern. Oder es gibt nach der Wahl Diskussionen in der SPD und diese tritt doch als Juniorpartner in eine Regierung mit der Linken ein. Halten Sie das für möglich?

Zunächst will ich den Bekenntnissen der SPD glauben. Allerdings habe ich nicht nur einmal vor einer Wahl feste Absichtsbekundungen gehört, die danach schnell vergessen waren.

Vor Jahren ist die rechtsextreme DVU mit einem zweistelligen Ergebnis im Landtag gelandet. Fürchten Sie, dass die NPD bei der Wahl die Fünfprozenthürde überspringt?
Die DVU ist damals mit einer sehr demagogischen Kampagne erfolgreich gewesen. Ich hätte damals mit einem solchen Erfolg nicht gerechnet. Nachdem sich die DVU selbst konterkariert hat, hoffe ich, dass wir mit der NPD so weit zurechtkommen, dass sie an der Fünfprozenthürde scheitert.

Das Gespräch führte Matthias Meisner.

Zur Person

Wolfgang Böhmer (74) ist seit 2002 Ministerpräsident in Sachsen-Anhalt. Er regierte zunächst mit der FDP, dann mit der SPD. Bei der Wahl 2011 tritt er nicht mehr an.

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