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Politik: Wolfgang Clement bereitet sich auf zähe Verhandlungen mit den Grünen vor - Möllemanns FDP hält sich schon bereit

Harald Schartau hat sich über manche Debattenbeiträge der vergangenen Tage mächtig geärgert. Für den IG-Metall-Chef an Rhein und Ruhr läuft die Koalitionsdebatte im größten Bundesland unter völlig falschen Vorzeichen ab.

Harald Schartau hat sich über manche Debattenbeiträge der vergangenen Tage mächtig geärgert. Für den IG-Metall-Chef an Rhein und Ruhr läuft die Koalitionsdebatte im größten Bundesland unter völlig falschen Vorzeichen ab. Bei den Grünen, aber auch bei einem Teil seiner sozialdemokratischen Parteifreunde hat er eine Lust ausgemacht, ein neues Bündnis zu schmieden, bevor die wesentlichen Eckpunkte für die Zukunft des Landes debattiert sind. "Ob Möllemann oder Höhn, ist für den Erfolg der Landesregierung nicht entscheidend", sagt Schartau dem Tagesspiegel. "Die Bildung der Koalition muß davon abhängen, ob die Koalitionspartner die Zahl der Arbeitsplätze in Gelsenkirchen und Dortmund nach oben bringen".

Am Donnerstag lieferten die Nachrichten einen neuen Beleg für Schartaus Auffassung: Es herrsche Streit unter den Genossen und ein erheblicher Teil der aktuellen sozialdemokratischen Ministerriege sei für ein Bündnis mit den Liberalen. Schartau schüttelt ob dieser Meldungen den Kopf. Er weiß, worum es geht und dass diese Meldung von Leuten gestreut worden war, die sich vorschnell auf Rot-Grün festlegen wollen. "Die sollten bedenken", sagt Schartau, "dass die Grünen in den industriellen Ballungsräumen großes Misstrauen hinterlassen".

Das alles ist freilich auch keine vorschnelle Festlegung auf einen Koalitionswechsel. "Möllemann hat in Kernfragen der Landespolitik bisher nichts gesagt", kritisiert Schartau. Seine Einschätzung wird von vielen geteilt, denen zur Zeit eine größere Nähe zu Möllemann als zu den Grünen nachgesagt wird. Die Verbindung mit der FDP hat aus sozialdemokratischer Sicht erhebliche Nachteile. "Wenn wir damit Berlin so destabilisieren, dass die wichtigen Reformen nicht vorankommen, haben wir auch als Land nichts gewonnen", sagt einer aus der sozialdemokratischen Verhandlungskommission. Außerdem gibt es die Sorge, dass es die SPD in einem Bündnis mit der FDP schwerer haben wird, die Rolle des Modernisierers auszufüllen und dies gilt für Berlin wie Düsseldorf gleichermaßen.

Vor diesem Hintergrund hat Wolfgang Clement die sozialdemokratische Ministerriege gebeten, eine offene Bestandsaufnahme über den Stand der Koalition und mögliche Auffassungsunterschiede zu machen. Am Mittwoch haben ihm seine engsten Mitarbeiter ein 16-seitiges Papier auf den Tisch gelegt, in dem unter der Überschrift "Konfliktpunkte" reichlich Zündstoff niedergeschrieben wurde. Das Papier, das dem Tagesspiegel vorliegt, beginnt mit Dissonanzen in der Arbeitsmarktpolitik. Während die SPD weniger qualifizierte Tätigkeiten pauschal bezuschussen will, möchten die Grünen solche Hilfen zum Beispiel auf gemeinnützige Arbeitgeber begrenzen. Insgesamt versprechen sich die Grünen mehr davon, den zweiten Arbeitsmarkt und soziale Wirtschaftsbetriebe auf Staatskosten zu beleben, die Sozialdemokraten denken über Brücken in den ersten Arbeitsmarkt nach und schließen auch Konsequenzen für jene nicht aus, die solche Angebote nicht annehmen. Im Justizbereich plädieren Sozialdemokraten für weniger Instanzen vor Gericht, Grüne lehnen dies strikt ab. Bei der Verwaltungsreform schwelt neben der Frage, ob es einen eigenen Ruhrbezirk gibt, wie ihn die Grünen fordern, der Grundkonflikt über die künftige Rolle es Staates. Die SPD will Kompetenzen abgeben, die Grünen weigern sich zum Beispiel, die Agrar- und Umweltämter zu kommunalisieren. "Frau Höhn hat ein anderes Staatsverständnis als wir, die ist etatistisch", stöhnt ein SPD-Minister.

Dieses unterschiedliche Staatsverständnis zeigt sich besonders bei der Landesplanung. "In letzter Zeit sind viele Fälle aufgetreten", schreibt die Staatskanzlei in ihrem Papier,"bei denen es immer wieder zu vermeidbaren Verzögerungen kam". Danach werden zahlreiche Gewerbeprojekte aufgelistet, in denen Bärbel Höhn oder ihre Beamten durch weitere Auflagen in vielen Landesteilen Gewerbeansiedlungen verhindert haben. Für kritisch hält die Staatskanzlei auch den weiteren Umgang mit Garzweiler II. Die Grünen verlangen eine Überprüfung der energiewirtschaftlichen Rahmenbedingungen, die zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht vorgesehen sind. "Bei den Maßnahmen ist mit Behinderungen zu rechnen", schreiben die Vertrauten von Clement.

Etliche dieser Konfliktfelder würden entschärft, wenn Bärbel Höhn in ein anderes als das Umweltministerium wechselt. Ob sie dazu bereit ist, steht zur Zeit aber nicht fest. Sie selbst hat sich öffentlich festgelegt und sogar Versuchen widersprochen, ihr die Landesplanung zu entreißen. "Ich finde, dass ich da keine Notwendigkeit sehe", antwortete sie ein wenig gequält auf eine entsprechende Frage. Sollten sich die Grünen da nicht bewegen, wird Clement relativ rasch mit den Liberalen verhandeln. Vorher redet er aber noch mit Gerhard Schröder - am Rande der Ministerpräsidentenkonferenz an diesem Freitag in Bonn hat er ausreichend Gelegenheit dazu.

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